Ein Beitrag von Anke Breitmaier

Durch Freundschaften lernen Mädchen und Jungen viel über Beziehungen – und erwerben ganz nebenbei soziale Kompetenzen.

Das erste Mal trafen sie sich in der sechsten Klasse. Andrea war gerade erst mit ihrer Mutter in den kleinen Ort gezogen, Sonja lebte schon lang mit ihrer Familie dort. Beide hassten den Sportunterricht und liebten Bücher – Grund genug, sich schnell anzufreunden. „Andrea war ziemlich temperamentvoll, ich eher ein bisschen schüchtern. Das hat sich prima ausgeglichen“, erzählt Sonja. „Richtig zusammengeschweißt hat uns dann eine Klassenfahrt nach Berchtesgaden. Da haben wir uns in den gleichen Jungen verliebt und hatten dann den gleichen Kummer“, sagt Andrea lachend.

Dream-Team, quasi forever

Unglaubliche 36 Jahre sind seitdem vergangen. Aber Freundinnen sind Andrea und Sonja noch immer. „Wir waren früher ein echtes Dream-Team, haben so viel zum ersten Mal erlebt … der erste Freund, der Führerschein, das Abi. Das verbindet total.“ Nach der Schulzeit zogen sie zum Studium in verschiedene Städte, hatten erste Jobs, heirateten, bekamen Kinder, entwickelten sich beruflich weiter. „Dabei haben wir uns nie aus den Augen verloren. Im Gegenteil: Unsere Freundschaft ist über die Jahre gewachsen, ist intensiver geworden.“ Heute leben Andrea und Sonja nur 20 Kilometer voneinander entfernt. „Und seit die Kinder größer sind und teilweise schon aus dem Haus, sehen wir uns viel öfter, manchmal schaffen wir es einmal die Woche.“

Das Geheimnis ihrer langjährigen Freundschaft

Glück hätten sie gehabt, sich zu begegnen als zwei Gleichgesinnte. Auch wenn es den ein oder anderen Streit gegeben habe und Zeiten, in denen sie weniger Kontakt hatten. „Den Faden haben wir nie verloren. Das Schöne war ja: Wir konnten mal ein paar Wochen nix voneinander hören und uns dann treffen und alles war wie immer“, sagt Andrea. Diese Verbundenheit und das Vertrauen sind ihnen heute wertvoller denn je. „Das bleibt nämlich, da sind wir sicher.“ Stark mache ihre Freundschaft auch die Tatsache, dass sie sich schon mit 12 Jahren kennengelernt haben. „Wer sonst weiß denn, wie wir damals waren und wie wir uns zu den Menschen entwickelt haben, die wir jetzt sind?“

Die einen haben viele Bekannte, die anderen nur eine BBF

Freunde können tatsächlich so etwas wie Lebenszeugen sein, die uns begleiten und sich gemeinsam mit uns an all unsere früheren Ichs erinnern können. Und wir wählen sie aus, bestimmten selbst, wie viel Nähe wir zu ihnen haben, was wir von uns preisgeben und vom anderen erwarten. Gerade heutzutage, wo Familie mitunter freier und offener gelebt wird und viele Ehen oder Beziehungen nur eine Zeitlang „halten“, sind echte Freunde ein fester Gefühlsanker im Leben. Dabei definiert jeder Freundschaft anders, hat eigene Vorstellungen davon, was sie ausmacht und wie sie gelebt wird. Eines aber trifft auf alle zu: Freundschaften sind die einzigen menschlichen Beziehungsformen, die ohne gesetzliche Regelungen, offizielle Gründungsriten oder gegenseitige Verbindlichkeiten auskommen. Wie und warum Menschen Freunde werden und wie lange sie es bleiben, entscheiden die Beteiligten selbst, normalerweise ohne äußeren Zwängen unterworfen zu sein.

Ist das schon Freundschaft, oder geht das noch weg?

Freunde zu suchen, das ist ein natürliches Bedürfnis des Menschen. Wir möchten dazugehören, aufgenommen werden in einer Gruppe, Anerkennung von anderen finden und von ihnen gemocht werden – eigentlich schon von Lebensbeginn an. Die ersten Freunde sind meist Spielkameraden, die von den Eltern zusammengebracht werden. Schließlich sind Kleinkinder in ihren kommunikativen Fähigkeiten noch eingeschränkt. Erst wenn sie älter werden, können sie aktiv Freundschaften suchen und eingehen. Und mit dem Alter wächst auch die Fähigkeit, längere enge Kontakte zu knüpfen. Dabei ist jedes Kind anders: Manche haben gerne viele Spielkameraden, mit denen sie unterschiedliche Dinge machen können. Andere haben ein oder zwei beste Freunde, mit denen sie alles teilen. Wichtig ist, dass Kinder ihre eigenen Erfahrungen in Sachen Freundschaft machen.

Die Zeit der Spielgefährten

Mit etwa drei Jahren schließen Kinder die ersten „Freundschaften“. Diese sind zunächst recht willkürlich: Ein Freund ist für die Kleinen jemand, der mit ihnen spielt, die gleichen Sachen mag und auch mal was abgibt. Meist finden Kinder in diesem Alter recht schnell Freunde, wenden sich aber oft ebenso rasch anderen Kindern zu. Unterstützt von den Eltern knüpfen Kinder Kontakte zu Gleichaltrigen in ihrer Umgebung. Je häufiger sie die Gelegenheit haben, miteinander zu spielen, um so vertrauter werden die Kinder. Dann können auch schon länger andauernde Freundschaften entstehen.

Gute Kameraden

Mit dem Schulstart bekommen Freunde eine andere Bedeutung. Sie werden wichtiger, weil sie Halt geben und Verbündete im Schulalltag sein können. Dann sind Kinderfreundschaften oft auch geprägt von einer egoistischen Motivation. Denn es geht darum, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Als Freund oder Freundin wird dann jemand bezeichnet, der nicht nur gerne mit einem spielt und die gleichen Interessen hat, sondern die oder der einem auch zur Seite steht, etwa wenn es um kleine Auseinandersetzungen oder Eifersüchteleien geht. Verbringen Kinder dann viel Zeit miteinander in der Schule und auch bei der Freizeit etwa beim Fußballspielen, können sich daraus tiefere Freundschaften entwickeln.

Beste Kumpel

Im Alter von ungefähr zehn Jahren können Freundschaftsbeziehungen eine andere Qualität bekommen. Sie werden stabiler und die Ansprüche wandeln sich, denn Kinder entwickeln sich in dem Alter weiter zu eigenständigen Persönlichkeiten. Zusammenhalt und Vertrauen spielen jetzt eine größere Rolle. Freunde verstehen sich, unterstützen sich gegenseitig und reden über sich und ihre Gefühle – bei Mädchen steht der kommunikative Aspekt mehr im Vordergrund, bei Jungen geht es oft eher um gemeinsame Aktivitäten.

Echt beste Freunde

Ab dem Jugendalter nimmt die Bedeutung von Freundschaften zu. Das Verhältnis zu den Eltern verändert sich, es kann öfter zu Reibereien kommen und die Jugendlichen haben das Bedürfnis, sich abzugrenzen. Jetzt geht es auch um Charakter und Persönlichkeit: Freunde können hier einen Einfluss haben – denn sie orientieren sich aneinander und sind wichtige Vertrauenspersonen und Ratgeber. Das intensive Erleben in der Pubertät ist die Basis für viele langjährige Freundschaften.

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