Das erste Lächeln, der erste Dreiwortsatz – wir begrüßen begeistert neue Fähigkeiten und Meilensteine unseres Kindes. Aber was ist, wenn die Entwicklung anders verläuft als erwartet? Wir geben euch Tipps, wie man die Fortschritte des Kindes mit Augenmaß im Blick behält, und haben dazu auch mit Experten gesprochen. Vom Strampeln zum Krabbeln, vom Schreien zum Brabbeln, vom ersten Lächeln zum  Fremdeln – was Babys im ersten Lebensjahr an Entwicklungsschritten machen, ist beeindruckend. Fast jeden Tag geschieht etwas Neues, in ganz verschiedenen Bereichen.

Es tut sich was

Im Bereich der Motorik sind die Fortschritte vielleicht am augenfälligsten: Mit etwa drei Monaten hebt das Baby in Bauchlage den Kopf, mit spätestens sieben Monate dreht es sich eigenständig und fängt bald an, sich fortzubewegen: robbend, schlängelnd, kriechend oder  auf allen Vieren. Dem freien Sitzen mit etwa zehn Monaten folgt das Laufenlernen – mit 18 Monate stehen und gehen die Allermeisten auf eigenen Beinen.

Auch die soziale und  emotionale Entwicklung läuft von Anfang an auf Hochtouren: Schon kleine Babys nehmen  ihre Gefühle wahr und können sie ausdrücken, bald lernen sie auch, sie zu verstehen und zu  regulieren. Ab ca. 18 Monaten beginnen sie Empathie zu empfinden – schon vorher lassen sie sich vom Weinen anderer anstecken. Ab dem Ende des zweiten Lebensjahres bilden sich weitere Empfindungen aus: Stolz, Scham, Schuld, Neid, Verlegenheit. Die Basis der geistigen Entwicklung wird durch die Neugier des Babys gelegt, spielerisch Zusammenhänge zu  entdecken und Sinneserfahrungen zu verknüpfen. Im zweiten Lebensjahr beginnen Kinder  die Beziehung von Ursache und Wirkung zu verstehen und dann auch Dinge zu hinterfragen. Ab vier Jahren läuft das Gedächtnis auf Hochtouren, einfache Mengen- und Zeitbegriffe werden erfasst. Bei der Sprache geht es vom Gurren über spielerisches Quietschen,  Brummen, Kreischen mit sechs bis neun Monaten ins Plappern über, es folgen  Silbenverdopplungen („da-da-da-da“) und rund um den ersten Geburtstag erste Wörter. Ein Jahr später kann das Kind Zweiwortsätze sprechen, mit zweieinhalb versucht es sich in  Mehrwortsätzen – „Mama ist fortgegeht .“ – und der Wortschatz nimmt sprunghaft zu. Auch das Sprachverstehen entwickelt sich parallel fort. Ab acht Monaten versteht das Baby erste Wörter.

Individuelles Tempo

Wer mehrere Kinder hat, kennt das: Die Entwicklung läuft bei jedem Kind ein bisschen  anders ab – sogar innerhalb der gleichen Familie gibt es eine ungeheure Vielfalt, wann und wie sich die Kinder Sprache erschließen oder beim Trockenwerden voranschreiten. Deshalb  sind auch die eben genannten Altersangaben nur Anhaltspunkte. Jedes Kind hat sein eigenes  Tempo und das ist – innerhalb eines breiten Zeitfensters – sehr unterschiedlich. Und das  Fortschreiten geschieht keineswegs kontinuierlich. Mal gibt es einen richtigen  Entwicklungssprung, dann wieder sieht es aus, als würde unser Nachwuchs eine kreative  Pause einlegen. In vielen Elternköpfen herrscht die Überzeugung: „Je schneller, desto  besser!“ Doch das stimmt so nicht. Alles braucht seine Zeit. Und ein bekanntes afrikanisches Sprichwort gilt auch bei unseren Kindern: „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“ Ein entwicklungsförderndes Umfeld ist wichtig, aber erzwingen lässt sich damit  nichts. Manches Kind braucht einfach mehr Zeit, holt ein Defizit auch wieder auf und wächst  dann von selbst in die „Normalität“ hinein.

Auffälligkeiten erkennen

Bei dem vielen, was Kinder in den ersten Jahren lernen, ist es verständlich, dass es auch mal  zu Zwischenfällen und Rückständen kommt. Oft ist es dann gar nicht so einfach  festzustellen, ob nur Verzögerungen vorliegen oder ob es sich um eine Störung handelt. Zum  Glück beobachten die meisten Eltern aufmerksam die Entwicklungsschritte ihrer Kinder und  wissen im Kontakt mit anderen Familien, aus Büchern, Blogs und Infobroschüren recht gut, welche neuen Fähigkeiten in welchem Alter üblich sind. Viele Experten empfehlen daher: Hört bei der Einschätzung eures Kindes auf euer Bauchgefühl. Bewertet die Meilensteine nicht zu hoch und bleibt erst mal gelassen, wenn euer Nachwuchs in einem Bereich am Ende der Statistik steht. Aber manchmal gibt es eben doch Situationen, wo man unsicher ist und  ein ungutes Gefühl hat. Wenn ein Baby zum Beispiel nicht auf Geräusche reagiert, eine  abnorme Haltung einnimmt oder Probleme beim Füttern hat, sollte man wachsam sein.  Auch wenn ein Kind dem Kleinkindalter langsam entwächst und nicht sprechen lernt, nicht sauber wird oder Probleme mit der Koordination der Motorik und Feinmotorik hat, ist besondere  Aufmerksamkeit angebracht. In solchen Situationen ist es sinnvoll, sich von fachkundiger Seite Rat einzuholen. Zum Glück gibt es da viele Angebote für Eltern. Sie reichen von fundierten Informationsquellen im Internet über telefonische und persönliche  Beratungsangebote bis hin zu Selbsthilfegruppen und Einrichtungen wie die Caritas  Frühberatungsstelle und das Sozialpädiatrische Zentrum in Darmstadt. Fachleute mit Erfahrung sind  wichtige Personen, wenn sich Eltern Sorgen um die Entwicklung ihres Kindes machen: die Hebamme, die in den ersten Wochen die Fragen von Neu-Eltern beantworten kann. Eine  Familienhebamme,  die Familien bei Schwierigkeiten im ersten Lebensjahr begleitet. Später können auch die Einschätzungen von Erziehern und Lehrkräften gute Hinweise geben. Vor allem aber ist es der Kinderarzt, der euch als wichtigster Ansprechpartner zur Verfügung  steht. Umso sinnvoller ist es, die Vorsorgeuntersuchungen konsequent zu nutzen – nicht nur  im ersten Lebensjahr, sondern auch später, wenn die Abstände größer werden. Denn durch  die U-Untersuchungen hat der Kinderarzt euer Kind von Anfang an engmaschig im Blick,  kennt es und kann so oft Entwarnung geben, wenn kleinere Abweichungen noch ganz im Rahmen liegen.

Warum frühe Förderung wichtig ist

Und wenn dann doch ein Kind im Vergleich zu gleichaltrigen Spielkameraden in einzelnen Feldern deutliche Verzögerungen oder Schwächen zeigt, kann früh gegengesteuert werden. Das ist wichtig, denn Störungen in Teilbereichen können die gesamte Entwicklung eines  Kindes beeinträchtigen. Es verliert dann vielleicht an Selbstvertrauen, entwickelt  Verhaltensprobleme, wird ängstlich oder aggressiv. Je früher eine Störung festgestellt wird, umso erfolgreicher kann ein Kind unterstützt werden. Und es bestehen gute Chancen,  mithilfe einer gezielten Förderung die Ursachen anzugehen und Auffälligkeiten zu vermindern oder zu beheben. Auch wenn eine Entwicklungsstörung bei den Eltern viel Zeit  und Gedanken bindet, sollte man aufpassen, dass das Kind nicht auf seine Schwächen  reduziert wird. Es ist ganz wichtig, es in dem zu bestärken, was es kann. Wenn Eltern ganz  bewusst den Blick wegnehmen von den Defiziten, werden sie schnell die Stärken und die  Einzigartigkeit ihres Kindes erkennen. Und können es durch Förderung darin unterstützen,  seine individuellen Entwicklungsmöglichkeiten auszuschöpfen und voller Selbstvertrauen  seinen Platz im Leben zu finden.

Frühe Hilfen

Das Darmstädter Modell „Kinder schützen – Familien fördern“

Seit 2012 fördert das Bundesfamilienministerium den Aus- und Aufbau von Netzwerken für frühe Hilfen und den Einsatz von Familienhebammen. Bereits seit 2009 gibt es das  Darmstädter Modell „Kinder schützen – Familien fördern“: Eine Vielzahl von  Netzwerkpartnern stellt Information, Unterstützung und Entlastung für Familien mit Kindern zwischen null und einem Jahr bereit: Begrüßungsservice für Neugeborene, Familienpatenschaften, Baby- und Kleinkindersprechstunde, Schreibaby- Ambulanz, hauswirtschaftliche Hilfe etc. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass immer mehr junge Eltern verunsichert sind oder sich teilweise sogar überfordert fühlen, die Bedürfnisse ihrer Kinder angemessen wahrzunehmen. Das Netzwerk will Eltern beraten und darin unterstützen, mögliche Störungen in der frühen Eltern-Kind-Beziehung frühzeitig zu erkennen und diesen wirksam zu begegnen, um ihren Kindern bestmögliche Entwicklungsbedingungen zu bieten. Die Leistungen werden von der Stadt Darmstadt koordiniert und finanziert und sind für Eltern kostenfrei.