Fast jeder hat es schon mal gespürt: dieses nagende Gefühl des Zweifels, in der Zuneigung zu kurz zu kommen. Eifersucht ist auch in Familien ein großes Thema: Große Geschwister sind eifersüchtig aufs neue Baby, frisch gebackene Großeltern auf die Schwieger-Familie, Eltern aufeinander … fratz bringt Licht in diese dunkle Seite unserer Gefühlswelt.

„Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.“

So beschreibt der Volksmund dieses Gefühl, das wir oft zunächst mit dem Klischee des chronisch misstrauischen Ehepartners verbinden. Doch das ist zu eng gefasst. Eifersucht entsteht immer dann, wenn wir das Gefühl haben, dass wir von einer geliebten Person nicht genug Anerkennung bekommen. Wir haben dann Angst, von jemand anderem in der Zuneigung ausgestochen zu werden. Schnell entstehen Verlustängste: „Mag er/sie mich noch? Bin ich ihnen gleichgültig?“ Das kann in einer Paarbeziehung sein, kommt aber auch im Familiengefüge noch in vielen weiteren Konstellationen vor.

Geschwister: Rivalität um Zeit und Zuwendung

Familien mit mehreren Kindern können ein Lied davon singen. Oft ist das Rivalisieren um die Gunst der Eltern Auslöser von ständigen Reibereien. „Bei Lena sitzt du abends viel länger am Bett als bei mir!“; „Ihr habt den Maxi sowieso lieber als mich!“

Manchmal werden solche Eifersüchteleien von den Eltern unbewusst geschürt. Zwar wissen wir alle, dass man seine Kinder nicht untereinander vergleichen sollte – jedes ist anders und hat ein Recht darauf, in seiner Individualität gesehen zu werden. Doch manchmal erliegen wir vielleicht doch der Versuchung, dem kleinen Schussel mahnend das leuchtende Vorbild des Bruders vor Augen zu führen, der seine Aufgaben stets so strukturiert und besonnen angeht. Das gilt es zu vermeiden: Wer seinen Kindern solche Etiketten aufklebt – hier der kleine Zappelphilipp, dort der Vernünftige, Strebsame –, muss sich nicht wundern, wenn der Nachwuchs kein Wir-Gefühl entwickelt, sondern vielmehr den Eindruck hat, von den Eltern gegeneinander ausgespielt zu werden. Was hilft? Kleine Pflichten und Aufgaben (gelbe Tonne rausschieben, Socken sortieren) geben jedem Kind das Gefühl, dass es nützlich und wichtig fürs Familienganze ist: Gemeinsame Aktivitäten, in denen die Familie als Team auftritt, stärken den Zusammenhalt. Sorgen Sie für vielfältige Kontakte außerhalb der Familie. So findet jedes Kind Anerkennung auch jenseits seiner Familienrolle als Nesthäkchen oder große Schwester. Und verweigern Sie die Schiedsrichter-Funktion – oft täuscht der erste Augenschein, wenn zwei Streithähne ineinander verkeilt sind, und Ihr möglicherweise ungerechter Schiedsspruch sorgt für Enttäuschung und weiteren Zündstoff.

„Keines unserer Kinder soll bevorzugt werden!“

Ganz klar, dass sich Eltern dies als wichtiges Erziehungsziel setzen. Das kann und darf aber nicht in Gleichmacherei münden. Zeit sollte nach Bedarf und nicht nach Stoppuhr verteilt werden, und jedes Kind muss so viel Zuwendung bekommen, wie es braucht. Da kann es durchaus gerecht sein, wenn die pubertierende Zwölfjährige, die an sich, ihrem Aussehen und der ganzen Welt zweifelt, gerade mal deutlich mehr Aufmerksamkeit erhält als der achtjährige Bruder, bei dem alles rund läuft.

„Ich habe euch beide gleich lieb.“

Stimmt natürlich, klingt für skeptische Kinderohren aber nicht sehr überzeugend. Auf der Suche nach Bestätigung und um mögliche Selbstzweifel zu zerstreuen, hilft es ihnen eher, wenn man erklärt, warum gerade er oder sie besonders liebenswert ist. „An dir mag ich besonders, dass du so offen auf Neues zugehst. Bei deiner Schwester bewundere ich, dass sie immer so lustige Ideen hat.“ Solche Aussagen betonen die Einzigartigkeit jedes Geschwisters und zeigen dem Kind, dass es genau so, wie es ist, seinen festen Platz in der Familie hat.

Manchmal entsteht vielleicht doch Unsicherheit, ob man möglicherweise eines seiner Kinder bevorzugt. Peter Ottasek, Diplom-Psychologe und stellvertretender Leiter des Familienzentrums Darmstadt, kennt diese Ängste und rät: „Fragen Sie bei Freunden oder der Familie nach, ob man dort den Eindruck hat, dass Sie ein Kind präferieren. Manchmal laufen die unkomplizierten Geschwister nebenher und die grellen, anstrengenden erhalten unwillentlich ein Mehr an Aufmerksamkeit. Um hier im Gleichgewicht zu bleiben, hilft es, wertvolle Zeit mit den einzelnen Kindern zu verbringen. Da kann dann der vom Thron gestürzte Erstgeborene ohne seine Babyschwester eine Zeitlang wieder ganz Prinz sein.“

Eltern: Wettstreit um Liebe und Vertrauen

Die Angst, dass ein anderer mehr geliebt wird als man selbst, kennen auch die Eltern. Der Säugling, mit dem Mann gerade eine Stunde „Hoppe, hoppe, Reiter“ gespielt hat, lässt sich abends doch wieder nur von Mama trösten … Der Teenager erzählt lieber dem Papa, was ihr auf dem Herzen liegt … Das nagt am Selbstbewusstsein und am Idealbild, das man von sich selbst als engagiertem und darum bitte stets geliebtem Elternteil hat. Doch Entspannung ist angesagt: Es gibt immer Zeiten, in denen sich das Kind mehr zum anderen Elternteil hingezogen fühlt. „Die Mutter als die Person, die sich meist als erste intensiv mit dem Baby beschäftigt, ist im primären Bindungsaufbau besonders wichtig – das ist evolutionär bedingt“, wendet sich Psychologe Ottasek an die Adresse frustrierter Jungväter. Deren männliche Feinfühligkeit, ihre oft wilderen und unkonventionellen Spielideen spielten dafür für die wachsende Neugier und Welterkundung des Kleinkinds eine besondere Rolle. Kinder suchen sich oft auch je nach Situation die passende Vertrauensperson: Bei Schulsorgen hört Papa besser zu, weil er selbst früher ähnliche Probleme hatte; für Draußen-Action bevorzugt man die sportliche Mama.

Trotz dieses Wissens leiden viele Elternteile unter einer solch scheinbaren Zurückweisung durch ihr Kind. Dazu Peter Ottasek: „Es ist ein sehr positiver erster Schritt, wenn man sich seine Eifersucht eingestehen kann und realisiert, dass wir eben alle Gefühle haben, die uns ins Stolpern bringen können.“ Als nächstes sollte man seine Eifersuchtsgefühle mit dem Partner besprechen. Wenn allen klar ist, dass es hier nicht um einen Wettstreit um die Gunst des Kindes geht, kann man die Situation gelassener hinnehmen. Unbedingt vermeiden sollte man Vorwürfe ans Kind, wie „Ja, ja, kaum kommt Papa, bin ich bei dir abgemeldet!“ Sonst gibt es sich noch die Schuld an der elterlichen Missstimmung und wird versuchen, es in Zukunft irgendwie beiden recht zu machen – das führt zu verkrampften Verhältnissen. Auch mit einem schmollenden Rückzug schadet man sich und allen Beteiligten. Gönnen Sie dem Partner, dass er gerade hoch im Kurs steht! Genießen Sie es, mal nicht im Mittelpunkt der Bedürfnisse zu stehen, und nutzen Sie freie Minuten für sich selbst!

Patchwork-Familien: Behutsame Beziehungsarbeit

Noch komplizierter ist die Gefühlslage oft, wenn sich in der Familie Stiefeltern, Halbgeschwister etc. miteinander und noch weiteren Beteiligten arrangieren müssen. Peter Ottasek: „Es ist eine Riesen-Herausforderung, eine Patchwork-Familie zu einer wohlfunktionierenden, lebendigen Gemeinschaft zusammenzuführen. Unterschiedliche Erziehungsstile, viele Veränderungen in kurzer Zeit – das erfordert eine feinfühlige Begleitung der Kinder.“ Typische Eifersuchts-Probleme: Die großen Halbgeschwister fühlen sich vom neuen gemeinsamen Baby an den Rand gedrängt; die Mutter muss mit den Kindern ihres Partners konkurrieren, die ältere Rechte anmelden; dazu sind die Erwartungen von bis zu vier Großelternpaaren unter einen Hut zu bringen. Da heißt es den Mut haben, „beim Partner in die Lehre zu gehen und offen zu sein für seine Art, Kinder zu erziehen“, rät Psychologe Ottasek. Weitere Tipps: den Focus der Verwandtschaft vom Baby (das sowieso nichts von der Aufmerksamkeit hat) auf die Großen rücken; als Paar Gelegenheiten schaffen, Zweisamkeit auch einmal ohne Kinder zu genießen; den Großeltern freundlich, aber bestimmt vermitteln, wie man selbst als Eltern das Verhältnis regeln möchte.

Großeltern: Ringen um Enkelzeit

Stichwort Großeltern: Auch in klassischen Familienkonstellationen weckt das Enkelkind, womöglich noch das erste, manchmal Eifersüchteleien zwischen den Großelternpaaren. Sei es, dass man als frischgebackene Mutter in der Anfangszeit mit dem Baby bevorzugt Rat bei den eigenen Eltern sucht; sei es, dass die Omas und Opas unterschiedlich weit weg wohnen – schnell stehen Vorwürfe im Raum, „die anderen“ würden beim Enkel-Kontakt bevorzugt. Als Paar sitzt man da zuweilen zwischen allen Stühlen. Oft ist den scheinbar vernachlässigten Großeltern schon geholfen, wenn man ihre Wünsche ernst nimmt und vielleicht erklären kann, dass man mit Säugling keine weiten Reisen unternehmen und nicht permanent Gäste auf der Wohnzimmer-Couch beherbergen möchte. Insgesamt ist es aber im Interesse des Nachwuchses, dass sich zu beiden Großelternpaaren ein stabiler Kontakt aufbaut. Wenn man die eine Oma bei der Arbeit besuchen kann und mit der anderen Oma im Garten werkeln darf, entstehen neue zuverlässige Bindungen, und die Kinder lernen in sicherem Raum spannende fremde Lebenswelten kennen. Damit alles so rund läuft, braucht es manchmal ein bisschen Moderation: Zum Beispiel die konkurrierenden Großeltern mal ganz zwanglos gemeinsam einladen und sie dabei unterstützen, auch miteinander ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen. So ist es leichter, dass sie im Sinne der Enkelkinder an einem Strang ziehen und sich etwa über ein gemeinsames Geburtstagsgeschenk absprechen, anstatt sich in maßloser Konsumflut gegenseitig übertrumpfen zu wollen. Spätestens bei solchen Auswüchsen sollte man als Eltern sowieso von seiner „Richtlinienkompetenz“ Gebrauch machen und klare Regeln vorgeben: Wir wollen das nicht – basta!

Tagesmutter und Erzieherin: Konkurrenz außer Haus

Fröhlich strebt der 14-monatige Zwerg morgens in die Arme der Tagesmutter, will nachmittags gar nicht mehr nach Hause – das gibt Eltern schon einen kleinen Stich: Zerstört das enge Verhältnis zur Betreuerin vielleicht unsere eigene Beziehung zum Kind? Hält es die andere gar für seine „richtige“ Mama? Keine Sorge: Ein Kind weiß ganz genau, wer seine Eltern sind. Und manchmal gibt es einfache Erklärungen, etwa für den Hickhack beim Abholen, wenn der Zeitpunkt ungünstig ist.

Und wenn Sie neidvoll zuhören müssen, wenn die Erzieherin begeistert von Ihrem unkomplizierten kleinen Sonnenschein erzählt, während Sie sich zu Hause ständig mit einem unausgeglichenen Trotzköpfchen herumärgern müssen? Dann nehmen Sie das als Kompliment. Ihr Kind zeigt damit sein grenzenloses Vertrauen in Sie: „Die Mama liebt mich immer, auch wenn ich meine und ihre Grenzen austeste!“ Freuen Sie sich, wenn die Betreuung so reibungslos klappt und die zusätzliche Bezugsperson in diesem Lebensabschnitt eine wichtige Bereicherung für Ihr Kind und eine Unterstützung für Ihre Familie ist.

Der Psychologe Ottasek weist aber noch auf einen weiteren Aspekt hin, wenn ein Kind mit fliegenden Fahnen zur Tagesmutter „überlauft“: „Kinder müssen heute viel ‚funktionieren‘. Vielleicht ist die Erzieherin, die sich ganz aufs Kind einlässt, wirklich manchmal einfühlsamer als Eltern, die morgens vom Frühstückstisch über die Kita zur Arbeit hetzen müssen. Doch das Gute ist: Wir selbst können das ändern – indem wir genau schauen, dass wir achtsam auf die Bedürfnisse unseres Kindes eingehen.“

Wenn sich also mal wieder die Eifersucht als kleiner fieser Stachel ins Beziehungsgeflecht Familie einschleicht: Verdammen Sie das Gefühl nicht pauschal! Manchmal kann Eifersucht auch dabei helfen, ein bisschen nachdenklich zu werden und eigene Positionen und Verhaltensweisen zu überprüfen.

Eifersucht aufs neue Baby – Tipps für Eltern

Vorbereiten: Erzählen Sie dem Großen rechtzeitig vom bevorstehenden Familienzuwachs: Lassen Sie es die Bewegungen im Bauch spüren, zeigen Sie Ultraschall-Bilder, schenken Sie ihm eine Babypuppe. Auch ein Geschwister-Vorbereitungskurs ist für die Größeren interessant.

Väter voran: Falls noch nicht geschehen, sollte jetzt der Papa sein großes Kind auch mal ins Bett bringen und exklusiv was mit ihm unternehmen– so können die beiden ihre Beziehung intensivieren und sich aufeinander einspielen.

Keine falschen Hoffnungen wecken: Es dauert noch eine ganze Weile, bis das Baby zum attraktiven Spielkameraden wird. Sprechen Sie darüber, dass das Baby am Anfang viel Zuwendung und Zeit braucht. Bilderbücher zum Thema erklären die Veränderungen altersgerecht und einfühlsam.

Gemeinsam erinnern: an die Zeit, als das Große noch ein Baby war. Fotos anschauen, vielleicht ein besonders schönes vergrößern, aufhängen und vom Besuch bewundern lassen.

Einbeziehen: Vielleicht mag der große Bruder ein Begrüßungs-Bild malen, das neben den Wickeltisch gehängt wird. Oder die Wandfarbe für die neue Baby-Ecke mit aussuchen. Nach der Geburt kann er entscheiden, welchen Strampler das Baby tragen soll, und auch mal seinen Po eincremen. Das gibt das Gefühl, wichtig zu sein und Verantwortung zu tragen.

Die Großen im Fokus: Packen Sie in Ihren Klinikkoffer einige Überraschungen für Ihr großes Kind, die Sie ihm nach der Geburt „im Namen des Babys“ geben können. Und bitten Sie die Verwandtschaft, beim Baby-Antrittsbesuch dem großen Geschwister besonders viel Aufmerksamkeit zu schenken.

Großwerden belohnen: Das erste Fahrrad, der Umzug ins heiß ersehnte Hochbett? Das macht stolz aufs Groß-Sein, sollte aber rechtzeitig vor der stressigen Geburtszeit erledigt sein.

Regression zulassen: Auch die Großen dürfen jetzt ab und zu mal „klein“ spielen, den Kakao aus der Flasche trinken oder wieder zu Mama ins Bett kommen.

Zeit schenken: Verbringen Sie täglich exklusive Zeit mit dem großen Geschwister, in der es ungeteilte Aufmerksamkeit erhält, z.B. wenn das Baby Mittagsschlaf macht.

Erziehungsprojekte auf Eis legen: Jetzt ist nicht die Zeit, mit dem Großen konsequent am Trockenwerden oder der Schnuller-Entwöhnung zu arbeiten. Auch überflüssige Verbote rund ums Baby (Leise sein! Nicht mit schmutzigen Fingern streicheln!) sollten Sie vermeiden – beides schürt nur Aggressionen.

Gelassen bleiben: Zeigen Sie Verständnis für die Gefühle der großen Geschwister – die Veränderung für sie ist ähnlich groß wie für Sie beim ersten Kind.