Ein Beitrag von Anke Breitmaier
Ein gemütliches Eck suchen, sich Zeit und ein Buch in die Hand nehmen – Lesen ist mehr als nur ein unterhaltsamer Zeitvertreib. Denn Bücher eröffnen uns neue Welten, lassen uns gedanklich abschweifen, Abenteuer durchleben und die Erfahrungen anderer Menschen nachempfinden.
Aber angesichts der Fülle an ständig verfügbaren Informationen, die uns digital auf Smartphones, Tablet- und Computer-Bildschirmen angeboten werden, wird das regelmäßige Lesen in womöglich gedruckten Büchern eine regelrechte Herausforderung. Nicht nur, weil ein Buch ein etwas sperrigeres Medium ist als ein elektronisches Gerät. Sondern auch, weil wir das konzentrierte Eintauchen in Buchstaben erst richtig lernen und dann auch trainieren müssen.
Vier Tipps, die Lust aufs Lesen machen
Selber lesen oder vorlesen lassen – bei vielen Kindern muss die Begeisterung fürs Schmökern erst geweckt werden. Damit sie auf den Geschmack kommen, brauchen Kinder Anregungen und natürlich Zugang zu Büchern. Wichtig ist, dass weder Vorlesen noch Lesen zu einer leidigen Pflicht (gemacht) werden. In erster Linie soll es Kindern Spaß machen, Literatur im weitesten Sinne zu entdecken.
Bauen Sie eine Leseecke
Im Kinderzimmer, auf dem Sofa oder in der Wohnküche – ganz egal, wo das Schmökerplätzchen eingerichtet wird, es sollte gemütlich und ruhig und vor allem auch gut beleuchtet sein. Richten Sie gemeinsam mit Ihrem Kind eine kleine Leseecke ein, in der Kissen und Kuscheltiere ebenso Platz haben wie eine Kiste (Lieblings-)Bücher. Hierhin kann sich Ihr Kind zurückziehen, wenn es lesen mag. Oder Sie schauen sich dort gemeinsam Bücher an.
Gehen Sie auf Büchersuche
Der Leseappetit kommt oft erst dann, wenn Kinder Geschichten finden, die sie interessieren. In der Fülle des Bücherangebots ist es aber enorm schwierig, die spannendste Lektüre auf Anhieb herauszufiltern. Machen Sie sich mit Ihrem Kind doch auf Büchersuche: In der öffentlichen Bibliothek oder in einer Buchhandlung. Nehmen Sie sich Zeit, viele Bücher gemeinsam zu sichten, den Klappentext zu lesen und sich einen Eindruck über den Inhalt zu verschaffen. So helfen Sie Ihrem Kind herauszufinden, was ihm gefällt.
Besuchen Sie Lesungen
Sehen, hören, lachen … wenn Buchautoren ihre Geschichten vor Publikum präsentieren, ist das für Kinder immer ein ganz besonderes Erlebnis. Das macht neugierig und zieht die kleinen Zuhörer in den Bann – beste Voraussetzungen dafür, selbst mal zu einem Buch zu greifen. Das 11. Literaturfestival „Huch, ein Buch!“ beispielsweise bietet viele tolle Angebote! Siehe die nachfolgenden zwei Seiten.
Gestalten Sie gemeinsam ein Leseplakat
Selbst Bücher aussuchen, über die Gefühle und Gedanken beim Lesen sprechen und sich aufschreiben, wie die Geschichte gefallen hat, macht vielen Kindern Freude. Daraus können Sie gemeinsam eine kreative Bastelaktion machen: Gestalten Sie mit Ihrem Kind auf einem großen Blatt eine Leselandschaft, auf der Buchtitel eingetragen und Kommentare dazu verfasst werden können.
Lesen hilft gegen Stress und macht entspannter, das fanden beispielsweise britische Wissenschaftler heraus. Ihre Studien zeigen, dass Lesen den aktuellen Stresspegel um bis zu 68 Prozent senken kann: Sie setzten Studienteilnehmer unter Stress, der ihre Herzfrequenz messbar erhöhte. Danach sollten sie sechs Minuten lang still sitzen und lesen. Dabei ließ die Anspannung der Teilnehmenden erkennbar nach. Schon allein das bewusste Stillsitzen beim Lesen soll diesen positiven, entspannenden Effekt bewirken.
Lesen ist Denken mit fremdem Gehirn
Dieser Satz stammt vom argentinischen Schriftsteller Jorge Luis Borges. Und er bringt auf den Punkt, was Lesen bedeutet: Wir sind ganz bei uns, fühlen aber nach, was andere empfinden. Diese Fähigkeit, sich in andere Menschen und Lebenswelten förmlich einzudenken, muss man üben. Denn Lesen ist ein aktiver Prozess, bei dem wir die Textinformationen mit unserem Vor- und Weltwissen verbinden und so selber dem Geschriebenen eine Bedeutung geben.
Kinder müssen ans Lesen herangeführt werden. Sie müssen erfahren, was es heißt, sich eine Geschichte zu „erlesen“, sich eigene Gedanken dazu zu machen und im Kopf Bilder entstehen zu lassen. Durch das Miterleben in den Geschichten eignen sich Kinder außerdem ein Repertoire an Handlungsmöglichkeiten an, das ihnen helfen kann, Menschen besser zu verstehen und mit ungewohnten oder schwierigen Situationen umzugehen. Und Studien belegen: Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, sind besonders empathisch und fürsorglich.
Warum viele Eltern ihren Kindern selten vorlesen
Eben darum ist das regelmäßige Vorlesen so wichtig. Aber in vielen Familien ist es keine Selbstverständlichkeit mehr, etwa immer vor dem Schlafengehen gemeinsam ein Buch zu betrachten. Das ist ein Ergebnis der Vorlesestudie 2020 der Stiftung Lesen. Rund 32 Prozent der Eltern lesen ihren Kindern demnach selten oder nie vor. Warum das so ist, wollten die Studienmacher herausfinden und befragten bundesweit 528 Eltern, die maximal einmal pro Woche vorlesen. Ein häufig angegebener Grund ist, dass es an Zeit und Bereitschaft zum Vorlesen fehlt. Die Hälfte der Eltern sagt, dass es im Haushalt anderes zu tun gibt und sie zu erschöpft zum Vorlesen sind. Außerdem denken 48 Prozent der Befragten, dass ihren Kindern woanders schon genug vorgelesen wird, vor allem in der Kita.
Oft fehlt es auch einfach an geeignetem Vorlesestoff
Nur maximal zehn Bücher besitzen die meisten Kinder (68 Prozent). Und fast die Hälfte der Eltern haben laut eigenen Angaben einfach selbst keinen Spaß am Vorlesen. Viele Mütter und Väter glauben, ihre Kinder zum geduldigen Zuhören zwingen zu müssen. 44 Prozent der befragten Eltern sagen, dass ihr Kind zu unruhig sei, 31 Prozent geben an, dass ihr Kind selbst gar nicht vorgelesen bekommen möchte.
Fünf Gründe, warum es so wichtig ist
» Vorlesen schafft Nähe
Zeit miteinander verbringen, gemeinsam Abenteuer in fernen Ländern erleben oder spannende Kriminalfälle lösen – beim Vorlesen kommen sich Eltern und Kinder sehr nahe und es findet ein reger Austausch statt. Das Reden über die Geschichten verbindet und fördert die Fähigkeit, Gefühle in Worte zu fassen.
» Vorlesen vergrößert den Wortschatz
In Geschichten begegnen Kindern neue Wörter, unbekannte Begriffe oder besondere Redewendungen. Eingebunden in eine spannende Story werden diese neuen Wörter von Kindern gut aufgenommen und sie können diese als Ausdrücke ganz nebenbei in ihren Wortschatz übernehmen.
» Vorlesen bringt auf Ideen
Die beste Geschichte ist die, die nachwirkt – etwa weil sie zum Nachdenken, Spielen oder Basteln anregt. Für die kindliche Fantasie sind Bücher ein perfekter Fundus für eigene Aktivitäten.
» Vorlesen macht empfindsam
Die Helden aus Kinderbüchern erleben allerhand und müssen bisweilen mit schwierigen Situationen fertigwerden. Mal erfordert das Mut, dann Vorsicht. Mal entwickelt sich eine Buchfigur und meistert auf ganz eigene Art unterschiedliche Aufgaben. Das können Kindern beim Vorlesen nachempfinden und lernen so unter anderem, wie man mit Enttäuschungen oder auch negativen Erfahrungen gut umgehen kann. Das stärkt ihre Fähigkeit, andere Menschen und deren Gefühle besser einordnen und verstehen zu können.
» Vorlesen steigert die Konzentration
Wer in einer Geschichte versinkt, sich selbst vorstellt, wie die Figuren oder die geschilderten Orte aussehen, muss ganz genau zuhören, und das für eine längere Zeit. Dadurch lernen Kinder auf eine spielerische und unterhaltsame Art, bei einer Sache zu bleiben und sich nur darauf zu konzentrieren. Und das ist eine Fähigkeit, die nicht nur für die Schule wichtig ist.