Gleichzeitig wissen alle, dass Kinder von klein auf mit sexualisierten Inhalten konfrontiert werden – und niemand schreit vor Empörung auf. Da ist das sexistische Werbeplakat an der Bushaltestelle, die hypersexualisierte Mädchenfigur in der Kinderserie, der mehr oder weniger offen zelebrierte Beischlaf im Vorabendprogramm. Musikvideos zeigen halbnackte Frauenkörper, die als schmückendes Beiwerk zu muskelbepackten Typen aufreizend tanzen. .

Während noch in der Schule Fortpflanzungskunde gelehrt wird, haben Kinder via Handy, Spielkonsole oder Soziale Medien bereits im Grundschulalter Zugang zu einer diversen Welt voller sexualisierter und pornografischer Inhalte. Begriffe wie Oralsex, Analsex oder die Frage nach Geschlechteridentitäten prasseln täglich auf sie ein. Also klären sie sich selbst auf, suchen im Internet nach Antworten und lernen in der Theorie. Das ist fatal.

Doch wer könnte es Kindern verdenken, dass sie neugierig herumsurfen! Denn im „echten“ Leben finden sie keine Antworten auf ihre Fragen. Alleinerziehende, Patchworkfamilien, Regenbogenfamilien, kulturelle Vielfalt, Queerness – all diese Themen finden im heteronormativen Alltag vieler Elternhäuser nicht statt. Fehlen dann auch noch Worte für Vulva und Penis, nehmen Kinder ihren eigenen Körper als Tabuzone wahr („Nimm die Hände weg von deinem Pfui-Pfui“).

Kein Wunder also, dass sie sich nicht trauen, mit ihren Eltern über sexuelle Orientierung und Sexualität zu sprechen. Oder ist es andersherum? Gewiss nicht einfach, aber je offener und normaler wir Erwachsenen mit diesem Thema umgehen, desto normaler und selbstbestimmter können Kinder ihren eigenen Körper und ihre (sexuellen) Bedürfnisse selbst kennenlernen (remember: Solo-Sex ist meist der erste Sex!). Mehr noch: Auf diese Weise finden sie heraus, was ihnen gefällt und was nicht, nur so lernen sie rechtzeitig Nein! zu sagen, wenn eine Person Sohn oder Tochter sexuell belästigt oder zu sexuellen Handlungen auffordert.

Dies gilt im analogen, vor allem auch im digitalen Raum. Dort bekommen Kinder DickPics oder Fotos von Sexbots auf ihr Handy geschickt. Aufgeklärte Kinder melden das und/oder klicken dies einfach weg, andere öffnen die Links, begegnen verstörenden Bildern und Personen, die sich negativ auf ihre Entwicklung auswirken können, schlimmstenfalls an Pädophile.
Leider haben die Fälle an Cybergrooming in den letzten Monaten extrem zugenommen: Erwachsene mit einem sexuellen Interesse an Minderjährigen nehmen via Discord, Playstation, WhatsApp, Instagram oder TikTok Kontakt auf. Zunächst mit harmlosen Komplimenten und Fragen, geht es alsbald um sexuelle Anspielungen und die Aufforderung, selbst ein Nacktbild zu verschicken. Wird der Bitte nicht Folge geleistet, werden die Kinder unter Druck gesetzt. Ziel ist immer ein Offline-Treffen, die Folgen müssen hier nicht weiter ausgeschmückt werden.

Unsere aller Aufgabe ist die Prävention. Sex, Gender und Körperlichkeit dürfen keine Tabus mehr sein. Aufklärung in alle Richtung ist nötig, insbesondere was verantwortungsvolle Mediennutzung betrifft.

Ilona Einwohlt für MuK Hessen

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