Die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel sind für viele Familien eine besondere Herausforderung, die mit Stress verbunden ist. Wenn umfangreiche Geschenkelisten abgearbeitet, lange Auto- und Bahnfahrten gemeistert und beim Zusammentreffen mit der Großfamilie verschiedene Eigenheiten berücksichtigt werden wollen. Es ist normal, dass sich das für viele von uns nicht gut anfühlt. Denn: Wir alle versuchen uns ständig im Gleichgewicht zu halten. Negativen und positiven Stress auszubalancieren. Wenn wir nicht mehr gegensteuern können, weil zu den Herausforderungen des Alltags zusätzliche Belastungen kommen, dann rutschen wir aus unserem Wohlfühlbereich heraus – hinein in einen Stress-Strudel: Wir sind frustriert. Dauergenervt. Und wünschen uns weg von dort, wo wir sind.

Manchmal lohnt es sich darüber nachzudenken, wo sich Aufgaben und Aufwände reduzieren lassen. Vielleicht wollen wir aber trotz des Aufwandes die Familie an Heiligabend im anderen Teil Deutschlands besuchen. Und wir wollen weiterhin das Neujahrsessen für die gesamte Familie ausrichten. Dann lohnt sich der Blick auf die Ressourcen, die wir nutzen, um Stress auszugleichen. Zu diesen Ressourcen gehören beispielsweise Gespräche mit Menschen, die uns am Herzen liegen, essen, nach draußen an die frische Luft gehen. Und bei den Kindern insbesondere auch spielen und Bewegung (weshalb es oft kontraproduktiv ist, Kinder am Tisch zu halten).

Und auch Musik gehört zu diesen Ressourcen. Im Alltag hören wir viele Dinge. Wenn wir uns anschauen, was Geräusche, Melodien und Stimmen bewirken können, lassen sich Anregungen für die bewusste Gestaltung unserer akustischen Umgebung finden. Und damit ein Stück Leichtigkeit im Familienalltag.

Die psychologische Wirkung von Musik ist vielgestaltig

Musik wirkt auf unser Gehirn, auf das zentrale und autonome Nervensystem. Sie kann unsere Stimmung beeinflussen, uns zur Bewegung anregen, die Verbundenheit innerhalb der Familie stärken und Erinnerungen wachrufen. Durch diese Wirkungen kann Musik zur Stressregulation genutzt werden. Schaut man sich das noch genauer an, so lässt sich mit Musik an drei Punkten ansetzen: Vor, während und nach einem Stress-Strudel.

Lieblingslieder als Rettungsanker

Wenn wir in einen Stress-Strudel rutschen, merken wir das etwa daran, dass wir immer wieder die gleichen Sätze wiederholen oder die Kinder anschreien. Manchmal auch daran, dass wir träge und erschöpft sind. Dann helfen die „Rettungsanker-Songs“. Das sind Lieblingslieder, die uns entspannen oder aktivieren. Musik erreicht die Hirnzentren, in denen die Notfallprogramme bei Stress gespeichert sind. Wenn diese aktiviert sind, dringt nichts mehr zu uns durch. Und Musik schafft es manchmal doch. Sie kann uns dabei helfen, wieder ins Gleichgewicht zu finden.

Es lohnt sich also mit Musik zu experimentieren – besonders in der Weihnachtszeit und zum Jahreswechsel: eine Playlist erstellen, Instrumente hervorholen, Kopfhörer einpacken – oder Lautsprecher für alle. Und den leisen Klängen und lauten Tönen einen Platz in der Familie anbieten.

Die Autorin

Julia Schneider ist Diplom-Psychologin (mit dem Schwerpunkt Familienpsychologie) und systemische Therapeutin. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist Beratung und Therapie für Eltern, Paare und Einzelpersonen in der Praxis des Halthafens in Darmstadt: Der Halthafen. Sie schreibt zudem Texte für Eltern und veröffentlicht diese auf ihrer Website (www.halthafen.de) und auf Instagram (#halthafen).

„Singen statt schimpfen“

Ein Kurs für Eltern.
In Darmstadt. Und als Onlinekurs.
Mit Diplom-Psychologin Julia Schneider und Musiktherapeutin Friederike Frenzel.
Infos: www.halthafen.de