Ein Kind lacht, ein paar Ukulele-Laute dringen aus einem Zimmer, und etwas Buntes flitzt über die Gänge. Das Bunte sind besagter Dr. Yeah alias Thomas Münzer und seine „Mitdabeiseierin“ Dr. Stracciatella alias Angela Scochi von „Die Clowndoktoren e.V.“. Die beiden Künstler sind nur zwei von insgesamt 36 Klinikclowns in Hessen und Rheinland-Pfalz, die mehrmals wöchentlich kranke und schwerkranke Kinder auf Station besuchen, Lächeln in Gesichter zaubern und dafür sorgen, dass die belastende und oft zehrende Zeit im Krankenhaus mit schönen Momenten versehen wird, trotz einer unschönen Diagnose oder einer schmerzhaften Behandlung.
Sie spazieren von Krankenzimmer zu Krankenzimmer, sind mal rumpelige Elefanten im Porzellanladen, die überall anecken und Chaos hinterlassen, ein anderes Mal kuriose Experten, die das Alter einer Patientin in Ukulelelängen schätzen: „Aha, du bist drei Ukulelen lang, dann bist du 16 Jahre alt?“ Die Patientin grinst und bejaht. Selbst ein Teenager, sonst oft peinlich berührt, wird an diesem Tag zum Lächeln gebracht, und das stimmt auch Angela und Thomas froh. Gutes tun, tut gut. Auf zum nächsten Patienten. Der freut sich schon von weitem, als er die beiden sieht.
„Eigentlich ging es mir eben noch nicht richtig gut, aber ab jetzt geht es mir schon viel besser“, sagt Lewin und freut sich über die roten Clownsnasen, die auf die FFP2-Masken der beiden Faxenmacher geklebt wurden. Bei dem Vierjährigen klappt die Bespaßung hervorragend. „Kinder sind das kritischste Publikum“, weiß Thomas, der den Beruf „Clown“ tatsächlich professionell erlernt hat. Zuvor war er in der Filmbranche tätig und noch nicht da angekommen, wo er im Leben hinwollte. Er besuchte eine Clownschule, lernte Pantomime, Jonglage, clowneske Musik und die Übertreibung, die einen guten Clown ausmacht und die er hier in der Klinik mit großen Gesten seinem Publikum präsentiert. Doch hat er auch als Privatperson etwas von einem Clown, mit seinen buschigen Augenbrauen und seiner humorvollen und dennoch etwas sehnsüchtigen Art. „Man kann nicht nur einen Clown spielen, sondern diese Menschlichkeit des Clowns muss einfach da sein“, beschreibt es Angela.
Sie ist eigentlich gelernte Musical-Darstellerin. Bei den Clowndoktoren hat sie angefangen, um Sinnvolles zu tun und sich trotzdem künstlerisch ausleben zu können. Der Unterschied zum Theater: „Während wir auf einer Bühne einen Text und eine feste Rolle haben, müssen wir hier sofort einen direkten Draht zum „Publikum“ bekommen und Kleinigkeiten erspüren. Planung funktioniert nicht, jeder Tag ist anders und neu.“
Das gilt für die Visiten wie das gesamte Leben. Die Pandemie war für die beiden eine Katastrophe, wie für fast alle Künstler. Auftritte wurden abgesagt oder auf unbestimmt verschoben und auch die Krankenhausvisiten konnten wegen der Besuchsverbote nicht stattfinden. Traurig für die kleinen Patienten, aber eben auch existentiell für die beiden Clowndoktoren. Thomas begann via Zoom Ukulele-Unterricht zu geben und Angela fand eine Stelle als Redaktionsassistentin bei Hessischen Rundfunk. In Sicherheit kann man sich als freischaffender Künstler leider nie wiegen: „Man muss wirklich 37 Jobs haben, damit das Geld immer reicht. Je breiter man aufgestellt ist, umso größer sind die Chancen, gebucht zu werden.“ Neben ihrem festen Job, ist sie also ständig unterwegs: als Schauspielerin, Sängerin, Musicaldarstellerin, Tänzerin in einer Swingtanzgruppe, als Solistin bei Galas und neuerdings auch gemeinsam mit Thomas als Swing- und Jazz-Duo mit dem Arbeitstitel „Madame Glück & Strange Man Elvis“.
Während ihre Zuschauer im Saal aufstehen und das Geschehen verlassen können, wenn ihnen etwas nicht gefällt, sind die Zuschauer in der Klinik ans Bett gefesselt. „Deshalb müssen wir besonders einfühlsam sein und unsere Grenzen kennen“, konstatiert selbst ein Dr. Yeah, der eigentlich gern über die Stränge schlägt und über die Grenzen hinausgeht. Planbar ist nichts, es gibt nur das Sich-führen-lassen von der Situation, die Spontanität und das Wissen, dass man nichts erwarten darf. Im Zweifel muss man eben mal akzeptieren, dass eine Nummer nicht gut ankommt, dass ein Kind schlechte Laune oder keine Lust auf Lachen hat, dass die Schmerzen eines Patienten größer sind als die Neugier auf eine Darbietung, oder dass die Chemie einfach mal nicht stimmt. Schließlich gibt es auch in einer echten Zirkusvorstellung Kinder, die die Clowns nicht mögen und eher auf Pferdedressur oder Feuerkünstler stehen. Aber selbst da weiß Thomas sich zu helfen und erntet dann schließlich doch noch einen Lacher mit dem Abgang: „Ey Leute, das war hier jetzt aber ein richtiger Scheiß!“
Meist blicken Dr. Yeah und Dr. Stracciatella jedoch in glückliche Gesichter. Und manches Mal sind sie davon selbst überrascht, so die Frau Doktor: „Einmal wurden wir schon im Vorfeld gewarnt: Da braucht ihr gar nicht reingehen, der Junge ist 17 und hat ein schwieriges Elternhaus. Aber genau dieser Junge war so glücklich und begeistert, weil er einfach mal gesehen wurde. Das hat mich sehr gerührt.“
Natürlich sind Angela und Thomas kein Mama- und Papa-Ersatz, wenn Eltern im Krankenhaus – oder insgesamt im Leben – kaum anwesend sind, aber für ein paar Minuten schenken sie Aufmerksamkeit, Zuneigung, Respekt und Freude. Das ist nicht in jeder Familie Selbstverständlichkeit. Und selbst da, wo die Liebe grenzenlos ist und die Eltern alles geben für das Wohl ihres Kindes, selbst da sind die beiden Klinikclowns Aufmunterung, Ablenkung und Glücksmoment.
„Manche Kinder wollen bei ihrer Entlassung nicht gehen, bevor sie nochmal die Clowndoktoren gesehen haben“, sagt Stationsleitung Leyla Atilmis-Öztürk. „Und nicht nur die Kinder freuen sich, sondern auch wir.“ Ein bisschen Abwechslung im stressigen Krankenhausalltag tut allen gut. Besonders die Eltern sind oft dankbar für die Momente, in denen sie kurz mal loslassen können und herauskommen aus dem Gedankenkarussell rund um die Sorge um ihr Kind. Die Tatsache, dass eine Krankheit für Momente vergessen wird oder Schmerzen verfliegen, treibt so manchem Elternteil die Tränen in die Augen und ein klein wenig Anspannung weicht.
Dass Heilung mit Hilfe der beiden Spaßärzte tatsächlich besser klappt, sieht Dr. Sebastian Becker, leitender ärztlicher Direktor, regelmäßig: „Wenn die mentale Gesundheit gut ist, dann wirkt sich das positiv auf den Krankheitsverlauf aus. Lachen ist auf jeden Fall gesund.“
Wenn nichts mehr weh tut, außer der Lachmuskeln, dann war der Tag ein guter. Und, so Dr.Yeah: „Perfekt war der Tag, wenn wir jemanden glücklich gemacht haben.“
Ein Beitrag von May-Britt Winkler