„Was ist das denn?“, frage ich meine fünfjährige Tochter, als ich ihren Rucksack auspacke, nachdem sie den Sonntag bei den Großeltern verbracht hat. In meiner Hand: Zehn bunte, kleine Plastikhündchen, die es – wie ich weiß – jeweils als Überraschungsbeilage zu einem Pudding aus dem Supermarkt gibt, der sämtliche für Eltern unsagbare Zutaten vereint. Meine Augäpfel wachsen. „Sag mir jetzt nicht du hast zehn Puddings bei Oma und Opa gegessen?“ „Nö, nur einen. Aber Opa hat zehn gekauft und ich durfte alle Überraschungen aufmachen. Uns hat doch noch der rosa Hund gefehlt!“ Aha, da sind wir also direkt bei der Trilogie der elterlichen Horrorszenarien: Schlechte Ernährung, keine Grenzen UND Plastikspielzeug. Dann muss ich aber doch ein bisschen lachen, weil ich mir vorstelle, wie mein Schwiegervater, vom Ehrgeiz gepackt, das Kühlregal leer räumt und später bei jedem Pudding inbrünstig mitfiebert, ob denn nun endlich der heiß ersehnte rosa Kläffer aus der Verpackung purzelt.

Aber wie ist das, haben Großeltern immer und für alles einen Freifahrtschein? Natürlich nicht. Die Beziehung zu den Großeltern ist aber so individuell und hängt mit vielen Faktoren zusammen, dass man da gar nichts pauschalisieren kann. Persönliche Grenzen muss jeder für sich selbst ausloten. Es ist ein Unterschied, ob Kinder ihre Großeltern nur einmal pro Woche oder noch seltener sehen oder ob Oma und Opa vielleicht sogar mit im Haus wohnen. Oder wenn Großeltern mit ihren Enkeln alle paar Wochen mal einen „Urlaubstag“ verbringen oder sie tagtäglich vielleicht sogar als Krippenersatz einspringen müssen.

Für mich sind beide Omas und Opa ein Segen. Denn während ich manchmal wie der geölte Blitz durch den Alltag sause, um Familie, Haushalt und Job unter einen Hut zu bekommen, schenken die Großeltern meinen Kindern genau das, was ich ihnen nicht immer mit voller Aufmerksamkeit geben kann: Zeit. Und zwar ohne zwischendurch auf die Uhr zu sehen, weil eigentlich noch tausend Dinge erledigt werden müssen. Sie sind einfach da, mit Leib und Seele. Dafür bin ich sehr dankbar. Auch wenn es bedeutet, dass ich hin und wieder meine Prinzipien in Sachen Kindererziehung etwas flexibler auslegen muss. Aber: Kinder, auch sehr kleine, können normalerweise ganz gut verstehen, dass bei Oma oder Opa andere Regeln gelten als bei uns Eltern. Und wenn sie dort mal eine halbe Stunde länger fernsehen dürfen, zerfällt nicht gleich ihr Weltbild, wenn Mama zuhause nach dem Sandmännchen den Stecker zieht.

Denn es ist doch oft so: Das Regelwerk, das Eltern für ihre Kinder aufstellen, wird von den Großeltern oft etwas anders interpretiert. Wo wir Eltern keifen und mahnend den Zeigefinger schwingen, lächelt Omi mit nonchalanter Coolness einfach sämtliche Kapriolen der kleinen Dreikäsehochs weg. Wenn zuhause Mamas Hände schon längst das Auszeit-T formen, gibt´s im großelterlichen Schlaraffenland noch eine Kugel Eis obendrauf.

Man sagt, dass Großeltern auch oft entspannter sind als wir Eltern. Und das liegt nicht nur daran, dass sie selbst schon Kinder großgezogen haben und wissen, dass auch der schlimmste Ausschlag nicht gleich in Beulenpest ausartet oder dass auch die längste Nacht mit verstopfter Kindernase und elterlichen Augenringen bis zum Knie irgendwann vorbei geht. Sie können sich nämlich auch sicher sein, dass selbst ein anstrengender Tag mit den Enkeln meist mit der Abenddämmerung verpufft, weil sie dann wieder Zeit für sich haben und die kleinen Plagegeister dann den Eltern zeigen können, was schlaflose Nächte sind. Und das ist doch auch gut so, immerhin ist auch im Schlaraffenland mal Feierabend, stimmt´s?

Christina Pfister

Die gebürtige Freiburgerin lebt mittlerweile am Fuße des Odenwalds und liebt Pferde, Kunst, Literatur, den Wald, Kochen und Esskultur. Seit 2009 führt sie auf ihrem Foodblog
www.newkitchontheblog.de ein kulinarisches Küchentagebuch:

Die Mutter von zwei Töchtern schreibt über Alltägliches und Besonderes und würzt ihre warmherzigen Beobachtungen mit köstlichen Rezept-Ideen und kunstvollen Fotos. Die Autorin ist mit ihrem unterhaltsamen Blog auch hier im fratz zu lesen.