Ein Beitrag von Anke Hélene
Es ist geschafft, ein Platz in der Kita ist gefunden und jetzt steht der große Tag bevor. Für die Kleinen eine echte Herausforderung: Zum vielleicht ersten Mal gibt es eine Trennung von den Eltern! Und nicht nur das, sie müssen sich in einer neuen Gruppe und einer noch fremden Umgebung zurechtfinden. Ganz schön anstrengend. Als Eltern können wir schon im Vorfeld viel dafür tun, dass der Start gelingt und die Kleinen gut in der Kita ankommen.
Schön ist es, die Kinder von Anfang an in die Vorbereitungen für den ersten Kita-Tag miteinzubeziehen – so wird ihr Interesse und ihre Vorfreude geweckt. Schon für die Kleinsten gibt es Bilderbücher, die vom Alltag im Kindergarten erzählen und neugierig machen. Auch ein Rucksack, Hausschuhe oder eine Brotdose können gemeinsam ausgesucht und bestückt werden.
Eltern als sicherer Hafen
Ein wichtiger Punkt bei jeder Eingewöhnung: Vertrauen. Nicht nur das bestehende vom Kind in die Eltern, sondern auch das Vertrauen zum pädagogischen Personal, den anderen Kindern und in die Einrichtung. Dieses muss erst noch aufgebaut werden und da sind wir als Eltern gefragt, die das Kind begleiten und ihm Sicherheit vermitteln. Auch wir sollten uns mit der Kita-Entscheidung wohlfühlen und vertrauen – denn sind die Eltern noch nicht bereit und möchten sich am liebsten gar nicht von ihrem Kind trennen, spürt es diese Unsicherheit. Natürlich dürfen wir traurig sein, dass unser Kleines kein Baby mehr ist und die intensive Elternzeit endet – aber wir sollten diese Gefühle nicht auf unser Kind übertragen.
Der begleitende Elternteil ist während der Eingewöhnung der sichere Hafen: da, wenn er gebraucht wird, aber auch unterstützend und loslassend, damit das Kind selbstständig die neue Umgebung entdecken kann. Je gelassener und positiver die Eltern sind, umso besser für das Kind.
Eine ganz wichtige Erfahrung im Leben der Kinder.
Tipp: In vielen Kitas und Krippen gibt es die Möglichkeit, vor dem ersten Tag schon einen Blick in die Einrichtung zu werfen, zum Beispiel beim Sommerfest, Tag der offenen Tür oder einem Elternabend. Hier können alle Fragen gestellt und die Erzieher kennengelernt werden. Das macht die Eingewöhnung für die Eltern oft leichter.
Nur kein Stress
Wenn möglich, sollte der Alltag während der Eingewöhnung etwas ruhiger gestaltet werden. Jetzt umzuziehen oder das Kind im neuen Turnverein anzumelden, ist nicht die beste Idee. Viele Kinder sind nach den ersten Kita-Stunden so erschöpft von all den neuen Eindrücken, dass sie erstmal Ruhe und viel Kuschelzeit brauchen.
Im Idealfall liegt der Kita-Start so, dass noch Luft bis zum ersten Arbeitstag ist, denn auch wenn sich Eltern genaue Angaben über die Länge der Eingewöhnung wünschen, ist es kaum möglich, diese vorher genau festzulegen. Jedes Kind ist anders und zudem stecken sich die Kleinen erfahrungsgemäß in den ersten Kita-Wochen mit allem an, was gerade in der Einrichtung grassiert und nicht selten wird die Eingewöhnung durch Erkältungen und Magen-Darm-Erkrankungen in die Länge gezogen.
Tipp: Lässt sich der Arbeitsbeginn nicht verschieben, obwohl das Kind noch Zeit braucht, ist es vielleicht auch möglich, in der zweiten Hälfte der Eingewöhnungszeit den anderen Elternteil oder Oma und Opa übernehmen zu lassen. Hat das Kind auch zu ihnen ein gutes Vertrauensverhältnis, können sie ebenso der sichere Hafen sein. Zudem sind sie oft nicht ganz so emotional in den Trennungssituationen.
Gefühle begleiten und ernst nehmen
Euer Kind weint herzzerreißend, wenn ihr euch für die ersten kurzen Trennungen verabschiedet? Keine Sorge, ihr müsste nicht sofort alles abbrechen, denn dass die Kleinen traurig sind, ist verständlich. Wichtig ist nur, dass das Kind mit seinen Gefühlen nicht allein gelassen, sondern einfühlsam von seiner Bezugserzieherin oder Bezugserzieher begleitet wird und dieser auf seine Gefühle und Bedürfnisse eingeht. Auch nach der Eingewöhnung kann es immer mal wieder Tränen bei der morgendlichen Trennung geben – wenn sich das Kind von den Erziehern aber beruhigen lässt und aufgeschlossen ist, versiegen diese meist auch schnell wieder.
Tipp: Als Vorbereitung auf Krippe oder Kita können Eltern das Verabschieden und – ganz wichtig – das versprochene Wiederkommen vorher üben. So kennen die Kleinen es bereits, dass sich Mama auch mal verabschiedet und sie eine Zeitlang bei den Großeltern, der Tante oder den Nachbarn bleiben. Und sie erfahren: Wenn Mama sagt, dass sie wiederkommt, dann kommt sie auch wieder. Eine ganz wichtige Erfahrung im Leben der Kinder.
Niemals sollten sich Eltern einfach herausschleichen
Rituale für mehr Sicherheit
Rituale geben kleinen und großen Kindern Sicherheit und können bei der Verabschiedung helfen. Das kann der immer gleiche Satz, eine bestimmte Reihenfolge beim Küssen und Umarmen oder das Winken am Fenster sein. Auch ein Kuscheltier kann Halt geben. Niemals sollten sich Eltern einfach herausschleichen, wenn das Kind abgelenkt ist, da das zu einem Vertrauensbruch führen kann. Wichtig ist auch, immer klar zu kommunizieren, wann man zurückkommt, etwa nach dem Morgenkreis oder dem Mittagessen – um dann zuverlässig zum vereinbarten Zeitpunkt wieder da zu sein.
Tipp: Rituale sind auch beim Mittagsschlaf der Krippen-Kinder wichtig, gerade wenn sie zu Hause sonst beim Stillen in den Schlaf finden – denn weiter stillen können Mütter natürlich trotz Kita-Start! Aber Papa oder Oma können im Vorhinein ein alternatives Ritual für den Mittagsschlaf einführen, das die Erzieher übernehmen können.
Eingewöhnung nach dem Berliner und Münchner Modell
Wurden Kinder früher am ersten Kita-Tag quasi einfach abgegeben, gehen Kitas heute viel mehr auf die Bedürfnisse der Kleinen ein und nehmen diese ernst. Zum Glück! Es gibt verschiedene Eingewöhnungskonzepte, das Berliner und Münchner Modell sind aber die gängigsten in Deutschland. Beide Modelle gliedern sich in fünf Phasen, in denen es ums Ankommen, Kennenlernen, Sicherheit und Vertrauen aufbauen und erste Trennungsphasen geht. Beim Berliner Modell gibt es nach vier Tagen den ersten kurzen Trennungsversuch; beim Münchner Modell wird das Tempo stärker vom Kind bestimmt und der Elternteil ist länger in der Gruppe dabei, sodass die Eingewöhnung insgesamt länger dauert.
Eingewöhnung in der Gruppe: das Tübinger Modell
Bei beiden Modellen wird Wert auf eine sanfte und einfühlsame Eingewöhnung gelegt und die Bedürfnisse des Kindes stehen im Mittelpunkt. In der Kita Thomasstraße in Darmstadt-Eberstadt wird es ab dem Sommer ein neues Eingewöhnungskonzept im U3-Bereich geben, erzählt Sabrina Schneider, stellvertretende Leitung. Beim Tübinger Modell steht die „Peer-Interaktion und -Beziehung“ im Mittelpunkt: „Drei bis vier Kinder gleichen Alters kommen gemeinsam in der Kita an“, erklärt Sabrina.
„Sie sind alle gleichzeitig in einem Raum, in ihrem Nest, in dem keine anderen Kinder sind. Nur die Kinder plus drei Erzieher oder Erzieherinnen. Dazu gibt es eine Elternecke im Raum, die der sichere Hafen für die Kleinen ist.“
Beobachtungen und Studien zeigen, dass die Kinder bei der Eingewöhnung in der Gruppe füreinander da sind, voneinander lernen und davon profitieren, selbst zu entscheiden, mit welcher Fachkraft und mit welchem Kind sie in Beziehung gehen.* Die bereits eingewöhnten Kinder würden den Raum dann eine Zeitlang nicht benutzen und das pädagogische Personal können seinen Fokus ganz auf die Kleinen legen und für sie da sein, anstatt nebenbei noch Streit schlichten oder wickeln zu müssen, erklärt Sabrina weiter. „Wie beim Berliner Modell gibt es nach ein paar Tagen dann den ersten Trennungsversuch und Erfahrungen aus anderen Kitas zeigen, dass, auch wenn die Kinder individuell sind, es eine Art Mitreißeffekt gibt und sich alle Kinder gut darauf einlassen. Und wenn ein Kind länger braucht, dann ist das natürlich auch kein Problem.“
*https://www.paedagogikblog.de/kinder-unterstuetzen-sich-die-eingewoehnung-in-der-peergroup/
Eingewöhnung abgeschlossen? Mittlerweile sind ein paar Tage oder auch Wochen vergangen, die Trennungsphasen immer länger geworden und das Kind bleibt schon ein paar Stunden in der Einrichtung und geht neugierig und aufgeschlossen in die Gruppe? Dann scheint alles geklappt zu haben! Zu einer gelungenen Eingewöhnung zählt auch, dass sich die Kleinen durch das pädagogische Personal beruhigen lassen und die Erzieher auch, je nach Alter, das Kind wickeln und beim Mittagsschlaf begleiten können.
Rituale sind wichtig!
Eingewöhnung abbrechen? Zum Glück kommt das nicht so häufig vor und wenn alle Trennungsversuche scheitern und das schlechte Bauchgefühl immer größer wird, sollten Eltern rechtzeitig das Gespräch mit den Erziehern suchen. Gemeinsam können Lösungen gefunden werden, wenn Eltern das Gefühl haben, dass etwas schiefläuft. Vielleicht braucht es nur noch etwas Geduld, neue Rituale oder mehr Vertrauen der Eltern in das pädagogische Personal, das sich dann auch auf das Kind überträgt.