Von Suse Lübker

Während die Kinder ihre Marshmallows über dem Feuer rösten, kreisen meine Gedanken um diesen einen Satz. Wäre es tatsächlich konsequent, auch noch auf die paar Lagerfeuer im Sommer zu verzichten? Leben wir als Familie nicht schon klimaneutral genug, ohne Auto, ohne Flugreisen und mit Solarkollektoren auf dem Dach? Und können wir alle, die hier in Deutschland leben, überhaupt zur Lösung des globalen Problems beitragen?

Forscherinnen und Forscher sind sich sicher: Die globale Erwärmung muss bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf höchstens 1,5 Grad begrenzt werden. Nur so können die Risiken und Auswirkungen des Klimawandels entscheidend reduziert werden. Wird dieser kritische Schwellenwert oder auch Kipppunkt überschritten, beginnen nicht mehr umkehrbare Prozesse: Durch die Klimaerwärmung steigen die Temperaturen in den zehn Meter tiefen Permafrostböden in Kanada, Grönland, Alaska und Sibirien. Taut der Boden auf, sackt der Untergrund ab und ist nicht mehr nutzbar. Außerdem werden große Mengen Kohlendioxid und Methan freigesetzt, die wiederum den Treibhauseffekt verstärken. Schon jetzt schmelzen die Gletscher aller großen Gebirgsketten und das Eis des Nordpolarmeers schmilzt zunehmend schneller. Die Ozeane erwärmen sich und dehnen sich aus, tropische Inseln sind immer stärker von Sturmfluten bedroht. Das sind nur einige Beispiele, über die die Medien tagtäglich berichten.

All das wissen wir. Zumindest, wenn wir regelmäßig Nachrichten lesen oder schauen. Was wir allerdings sehen bzw. spüren, ist das schöne Wetter: Sommer mit Temperaturen weit über 30 Grad – lange, warme (Grill!-)Abende, kein Anzeichen einer Katastrophe. Mal abgesehen von den heftigen Gewittern, die zunehmen und manchmal gar bedrohlich wirken.

Dennoch: Für viele Deutsche ist der Klimawandel nicht spürbar, sondern weit entfernt von der Alltagswirklichkeit. „Der Klimawandel ist zu groß für unsere Wahrnehmung. Er ist keine plötzliche Gefahr, die über uns hereinfällt, sondern eine schleichende, die wir seit Jahrzehnten kennen“, schreibt Tobias Haberkorn für ZEIT online. Auch das ist ein möglicher Grund dafür, dass wir uns wenig, zu wenig um unseren Planeten kümmern.

Klimakatastrophen direkt um die Ecke

Dabei wirkt sich die Klimaveränderungen direkt bei uns vor der Tür bereits aus: Sturmfluten zerstören Ostsee- und Nordseestrände, Steilufer brechen weg. Dürreperioden, extreme Hitzewellen und Niederschläge setzen jetzt schon der Natur zu: So befallen Borkenkäfer die Bäume im Harz – der Grund: Die Fichtenwälder sind vom Klimawandel geschwächt, ihr Abwehrmechanismus gegen die Käfer funktioniert nicht mehr so wie sonst. Waldökologen sehen schwarz für den Fortbestand des Waldes. Und auch die deutschen Landwirte leiden massiv unter den sehr trockenen Sommern und dem Starkregen, die Ernteerträge gehen auch in diesem Jahr stark zurück.

Eine Lösung, die zu allen passt, gibt es nicht. Für die einen ist es nur konsequent, auf Flugreisen zu verzichten bzw. lange Autofahrten einzuschränken. Andere stellen ihre Ernährung um, reduzieren den Fleischkonsum und kaufen ihr Gemüse bei regionalen Händlern. Sicherlich werden wir nicht die Welt retten, indem wir ab und zu auf die Grillwurst, den Weihnachtsbraten oder die Marshmallows verzichten. Es ist aber auch klar, dass wir unser Verhalten konsequent ändern müssen, um überhaupt etwas zu erreichen.

Wie schaffen wir das und was bringt uns das?

Schritt eins: Realistische Ziele setzen. Was ist für mich und meine Familie machbar? Was kann ich gut in den Alltag integrieren? Auf Einwegprodukte verzichten, auf Ökostrom umsteigen, regional und saisonal einkaufen, das Auto stehen lassen … Ein paar Tipps haben wir hier zusammengestellt.

Mein kleiner nachhaltiger Haushalt – Fünf praktische Tipps für Zuhause

1. Auf Plastik verzichten

Es ist schon erstaunlich, von wie viel Plastik wir im Alltag umgeben sind: Brotdosen, Joghurtbecher, Legosteine … Außerdem verstecken sich in vielen Kosmetikartikeln sehr kleine Kunststoffpartikel, so genanntes Mikroplastik. Die meisten Kunststoffe sind nur sehr schwer biologisch abbaubar und schädigen das Ökosystem. Wenn sie in die Gewässer gelangen, landen sie über kurz oder lang auch auf unserem Speiseplan.

Was können wir tun? Einfach mal mit der Familie den Haushalt durchforsten und überlegen, auf welche Plastikgegenstände verzichtet werden kann. So lassen sich zum Beispiel Brotdosen nach und nach durch Metalldosen ersetzen, Nudeln und Getreide können mit dem eigenen Behälter im Unverpacktladen gekauft werden, Eis isst man besser aus der Waffel als aus dem Becher und wer mag, ersetzt Frischhaltefolie durch (selbst gemachte!) Wachstücher …

2. Aus alt mach hübsch!

Viele Dinge, die wir nicht mehr benutzen, können gut und gerne in eine zweite Runde gehen, bevor sie im Mülleimer landen: Aus kaputten Jeans oder alten T-Shirts lassen sich zum Beispiel prima Taschen oder Einkaufsbeutel nähen, aus alten Dosen entstehen schöne Stiftebehälter oder Blumenvasen und aus bunten Papierresten wird Konfetti für die nächste Geburtstagsparty. Mit kreativen Aktionen kann so ganz neue Gegenstände gestalten, wir vermeiden Müll und tun was für die Umwelt. Manchen Dingen sieht man übrigens überhaupt nicht mehr an, was sie früher mal waren, so haben findige Unternehmen aus Kaffeesäcken Hüte gefertigt, aus ausgemusterten Airbags Taschen genäht oder aus alten Reifen Fahrradständer entwickelt – Und was fällt euch so ein?

3. Insekten retten

Edelfalter, Wildbienen und Feldheuschrecken haben eines gemeinsam: Sie gehören zu den Insektenarten, deren Bestände dramatisch zurückgehen. Allein mehr als die Hälfte aller Wildbienenarten sind vom Aussterben bedroht. Nicht nur, dass es schön ist, wenn Schmetterlinge um uns herumflattern und Bienen in den Blumen summen – wir brauchen Insekten für unser Ökosystem, sie bestäuben unsere Pflanzen und sind eine wichtige Futterquelle für andere Tierarten. Mit insektenfreundlichen Pflanzen im Garten, auf dem Balkon oder auf den Grünstreifen bieten wir den kleinen Viechern ein leckeres Buffet. Insektenhotels sind leicht zu bauen und bieten Nist- und Überwinterungsmöglichkeiten – ganz wichtig, da die Lebensräume der Insekten immer knapper werden. Wer eine ökologische nachhaltige Landwirtschaft ohne Insektizide und Pestizide unterstützt, tut auch was für die Lebensgrundlagen für Bienen und Co. Ganz spannend für Familien, die Lust haben, Bienen ein Zuhause zu geben: Ein Imkerkurs oder eine Bienenpatenschaft.

4. Urlaub um die Ecke

Warum in die Ferne schweifen, wenn es direkt vor der Haustür einiges zu entdecken gibt? Wer klimaneutral reisen möchte, steigt am besten in den Zug, aufs Fahrrad oder in die Wanderstiefel! Ja, auch mit Kindern bringt Wandern Spaß und zwar dann, wenn die Strecken nicht zu lang sind und zwischendurch kleine Highlights auf dem Weg liegen – ein Badesee, ein Kletterpark oder ein nettes Eiscafé. Wer unsicher ist, macht eine Probewanderung am Wochenende und läuft am besten direkt von zuhause aus los. Oft ist es gerade spannend, die nähere Umgebung zu erforschen.
Wie wäre es mit einem Häusertausch in der Ferienzeit? Es gibt bestimmt Bekannte oder Freunde, die sich über ein paar Tage in einer neuen Umgebung freuen oder zufällig auf der Suche nach einem Haustiersitter für ihre eigenen Ferien sind.

5. Essen aus dem Balkonkasten

Dieses Radieschen schmeckt ganz besonders! Der Grund? Es wurde liebevoll in einem Eierkarton ausgesät, ist ein paar Wochen später in den Balkonkasten gewandert und nun im Salat gelandet. Die meisten Kinder haben Spaß daran, saisonales Gemüse und Kräuter selber zu säen, zu pflanzen und zu ernten, sei es im Schulgarten oder zuhause. Dabei lernen sie ganz nebenbei eine Menge über ökologischen Gemüseanbau und über den Kreislauf der Natur. Selbst Gemüsemuffel werden begeistert sein!
Wer Lust hat, baut sich sogar ein eigenes Hochbeet aus alten Paletten oder Weinkisten – eine gute Gelegenheit gemeinsam mit Mama oder Papa ein paar Tischlergrundkenntnisse zu erwerben.

Was können wir noch tun?

Zum Beispiel: Kinder und Partner*in miteinbeziehen. In der Familie über das Thema Klimawandel diskutieren. Dokumentationsfilme anschauen (sehr empfehlenswert für die ganze Familie: „Tomorrow – die Welt ist voller Lösungen“ oder „2040 – Wir retten die Welt!“). Kinderbücher zum Thema kaufen oder ausleihen (ein paar Tipps stehen am Ende dieses Artikels) und: sich darüber austauschen.

Was Spaß bringt: Den eigenen ökologischen Fussabdruck berechnen, zum Beispiel auf der Seite des WWF: https://bit.ly/2mbaYYm. Oder ausrechnen, wie man durch alltägliche Gewohnheiten CO2 einsparen kann. Auf der Website der Initiative „Ein guter Tag hat 100 Punkte“ (https://eingutertag.org/de/punkterechner.html) wird der ungefähre CO2-Gehalt, den wir maximal ausstoßen sollten, in Punkte umgerechnet.

Auch gut: Aus der Not eine Tugend machen. Klimaneutral(-er) zu leben, heißt nicht, auf alles zu verzichten, was Spaß macht. Klar, der Wochenendflug nach Mallorca ist zwar sehr günstig, dennoch ist Fliegen die klimaschädlichste Fortbewegungsart. Es lohnt sich also durchaus, Ausschau nach Alternativen zu halten. Umweltschonenden Verkehrsmittel wie Bahn oder Fahrrad vorziehen und ganz neue Reiseziele „um die Ecke“ entdecken.

Und natürlich: Sich engagieren und in politische Debatten einbringen – das geht auch mit Kindern! Auf die Straße gehen, statt den Kopf in den Sand zu stecken. Auf Klima- oder Fahrraddemos, mit Online-Petitionen, in Umweltgruppen in der Nachbarschaft …

Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: Können wir unsere Erde noch retten? Wir können daran mitwirken, dass unser Dasein nachhaltiger wird. Nicht mal eben, aber ständig und überall. Indem wir tagtäglich verantwortungsbewusst handeln, uns einmischen und aus den uns vertrauten Verhaltensmustern ausbrechen. Und indem wir gute Vorbilder für unsere Kinder sind!