Es gibt immer mehr Frauen, die sich in höherem Alter für ein Baby entscheiden. Späte Mutterschaft ist
ein grosses Glück, auch wenn es Risiken und Nebenwirkungen gibt.

Ein Beitrag von Anke Breitmaier

Mit 20 ging sie zum Studieren nach Hamburg, fünf Jahre später machte sie ihren Abschluss in Wirtschaftswissenschaften, dann trat sie ihre erste Arbeitsstelle in Stuttgart an. Es folgten 15 stramme Karrierejahre mit Beförderungen, Umzügen und vielen Reisen. Kinder? Klar. Irgendwann mal Mama werden wollte Petra, heute 53 Jahre alt, schon. Aber schon war immer nicht jetzt. „Der Wunsch war da, aber irgendwie hat es nie so richtig gepasst“, erzählt die gebürtige Darmstädterin. „Ich fühlte mich jung und dachte, ich hätte ja noch so viel Zeit.“

Der Wunsch war da, aber irgendwie hat es nie so richtig gepasst

„Und zack: war ich 40 Jahre alt, dann wurde es dringender.“

Petra lacht, als sie das erzählt. Dabei war ihr vor 13 Jahren oft nicht nach Lachen zumute. „Ich hab die biologische Uhr überlaut ticken gehört und um mich rum nur noch glückliche Mamas und süße Babys gesehen. Da kam plötzlich die Angst, es könnte für mich zu spät sein“, erzählt sie. Zehn Jahre war sie damals mit Matthias zusammen und mit ihm vor Kurzem wieder nach Darmstadt zurückgezogen – der Kinderwunsch ließ sich nicht mehr wegdenken. Also: Pille absetzen, es drauf ankommen lassen. Und hoffen.

Warten aufs Wunschkind

Fünf lange Jahre dauerte es dann noch, bis es nach etlichen „natürlichen“ Versuchen, Zyklus-Monitoring, Hormonbehandlungen und schließlich einer künstlichen Befruchtung soweit war: Mit 46 Jahren wurde Petra schwanger, kurz nach ihrem 47. Geburtstag kam ihr Wunschkind zur Welt. Ben ist heute sechs Jahre alt und das große Glück seiner „alten“ Eltern. „Matthias ist 60, ich 53 – wir könnten auch die Großeltern sein“, schmunzelt Petra. Überhaupt hat sie eine relaxte Einstellung, vielleicht gerade wegen ihres höheren Alters im Vergleich zu den Mamas aus ihrem Umfeld. „Die sind oft zehn oder mehr Jahre jünger als ich. In manchen Dingen fühle ich mich aber zehn oder mehr Jahre reifer heute“, findet sie. Die Schwangerschaft habe sie absolut genossen, die Geburt sei für sie eine existenzielle Erfahrung gewesen. Die erste Zeit im Babyrausch zwischen Stillen, Windelwechseln und Schlafmangel habe sie als eine der erfülltesten Phasen ihres Lebens empfunden. „Das hätte ich ein Jahrzehnt früher nicht so gesehen, da bin ich sicher.“

Wann ist eine Mama spät dran?

Schwangere werden schon ab 35 Jahren als Spätgebärende bezeichnet, bei Männern dagegen redet man nicht etwa von „Spätberufenen“, wenn sie in dem Alter Papa werden. Eigentlich ist das unfair. Männer können 50, 60 oder sogar noch älter sein, wenn sie das erste Kind bekommen – bemerkenswert findet das kaum noch jemand, gewagt vielleicht dann, wenn der werdende Vater selbst schon Opa ist. „Alte“ Väter liegen beinah im Trend, viele machen vor, dass Alter nicht vor Vaterschaft schützt, oder diese sogar begünstigen kann.

Männer, die erst nach der Lebensmitte Papa werden, gelten manchen als geduldiger, liebevoller und zeitlich präsenter als jüngere Väter – immerhin sind ab Mitte 50 für viele die größten Karrieresprünge getan, da droht keine Gefahr, beruflich noch Wesentliches zu verpassen.

Bei Frauen ist das etwas anders. Das liegt natürlich auch an der Biologie: Die weibliche Fruchtbarkeit lässt mit zunehmendem Alter deutlich nach, auch der Körper verändert sich mit den Jahren. Sind schon Kinder da, geht das zweite, dritte oder gar vierte auch mit Anfang 40 noch als Nachzügler durch. Wenn eine Frau allerdings erst dann überhaupt die Familienplanung in Angriff nimmt, und womöglich mit über 40 Jahren beim Schwangerwerden nachhilft mit Hormonbehandlungen oder künstlicher Befruchtung, stößt sie doch bisweilen auf Stirnrunzeln. Dabei kann so eine spätere Mutterschaft für alle ziemlich gut sein.

Wir könnten auch die Grosseltern sein…

Später, aber ziemlich flott ins Familienleben

Bei Christina (46) ging alles ganz schnell – das mit dem Babywunsch und das mit der Verwirklichung. Eigentlich standen Kinder nicht wirklich auf ihrem Lebensplan. Irgendwann mal Mutter zu werden, hatte sie nicht vor. „In meinen Beziehungen war das auch nie ein großes Thema. Ich habe aber auch nie kategorisch ausgeschlossen, Kinder zu kriegen. Aber irgendwie hat es offensichtlich nie gepasst“, erzählt die Physiotherapeutin aus Darmstadt. Und alles war gut so, wie es war, nichts fehlte.

„Ich dachte immer: Wenn es sein soll, dann wird das.“

Doch dann lernte Christina ihren jetzigen Mann kennen und auf einmal war der Gedanke an Nachwuchs überhaupt nicht mehr abwegig. „Wir waren erst sieben Monate zusammen, als ich schwanger wurde, da war ich 42. Wir waren beide total happy.“ Einen kleinen Schock gab es in der 12. Schwangerschaftswoche, als Christina starke Blutungen bekam. „Auch da waren wir entspannt. Ich dachte immer: Wenn es sein soll, dann wird das. Und ich hatte die ganze Zeit ein gutes Gefühl.“

Als Spätgebärende hab ich mich nie gesehen

Die Blutungen stellten sich als harmlos heraus und pünktlich nach neun Monaten kam Emmi auf die Welt, per notwendigem Kaiserschnitt. „Der hat mir später dann Probleme gemacht wegen der Vernarbungen. Sonst hätten wir uns vielleicht auch noch an ein Geschwisterchen für Emmi rangetraut.“ In der gesamten Schwangerschaft fühlte sich Christina super fit, hatte keine Übelkeit oder andere nennenswerte Beschwerden. „Als Spätgebärende hab ich mich nie gesehen, ich habe auch nicht die speziellen Vorsorgeuntersuchungen für ältere Schwangere gemacht.“

Keine Frage des Alters

Vier Jahre alt ist Emmi jetzt und das große Glück ihrer Eltern – die ihr Alter ideal finden. „Mein Mann ist drei Jahre jünger und wir sind beide ziemlich temperamentvoll, da fallen wir unter jüngeren Mamas und Papas gar nicht auf“, ist Christina sicher. Überhaupt glaubt sie, dass es egal ist, wie alt Eltern sind. Auch wenn ihr schon bewusst ist, dass sie unglaubliche 88 Jahre alt sein wird, wenn ihre Tochter so alt ist wie sie selbst jetzt. „Meine Mutter war 23 bei meiner Geburt und ist jetzt erst 69, das ist schon sehr schön, so eine verhältnismäßig junge Mama zu haben.“ Aber auch das habe ja viel mit Glück zu tun, auch bei jüngeren Eltern gebe es keine Garantie, dass sie gesund bleiben und ein hohes Alter erreichen. „Wichtig ist zu genießen, was jetzt ist. Und ich vertraue darauf, dass ich lange fit bleibe – mit ihrem Temperament wird Emmi schon dafür sorgen.“