Ein Beitrag von May-Britt Winkler

Es kann natürlich auch mal ein Montag, ein Mittwoch oder ein Freitag sein. Jeder Tag ist besonders, denn jeden Tag trifft Christine Gunder die unterschiedlichsten Kinder, die jedoch alle das gleiche Problem haben: Sie sind nicht wie die meisten anderen Kinder ihres Alters, denn sie sind krank.

Mit „krank“ ist kein Schnupfen oder Bauchweh gemeint, sondern etwas, was das Leben beeinträchtigt und gravierend verändert, das einschränkt und häufig sehr einsam macht.
„Alle Kinder, die eine Erkrankung wie Krebs haben oder eine Störung wie Autismus, die spüren ab einem bestimmten Alter, dass sie anders sind. Und das ärgert, macht traurig oder isoliert“, sagt die engagierte Darmstädterin. Sie ist Leiterin des „Vereins für krebskranke und chronisch kranke Kinder Darmstadt e.V.“ und begleitet seit 2012 eben diese Kinder und ihre hilfesuchenden Familien durch die schweren Zeiten von Diagnose, Leiden und manchmal auch Abschiednehmen. Das Wichtigste bei ihrer Arbeit ist jedoch das Hier und Jetzt. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen Tina Piemontese und Silvia Bleier kümmert sie sich sowohl um die Seele als auch den Körper von erkrankten Kindern ebenso wie um Erziehungsfragen und finanzielle Sorgen der Eltern.

Gemeinsames Bewegen tut den Kindern gut. Foto: Verein

„Das Problem bei chronisch kranken Kindern ist ganz oft, dass man das nicht am Kind selbst erkennen kann. Aber im Verhalten ist es eben anders als andere. Die Kinder werden häufig stigmatisiert. Gerade bei Diagnosen wie ADHS fangen dann andere Eltern an, auf die Mutter loszugehen und sie zu beschimpfen. Viele fühlen sich ausgegrenzt und allein.“

Oft dreht sich bei den Eltern alles nur noch um die Krankheit ihres Kindes

Kinderärzte, Therapeuten, Pflegestellen oder Hospizdienste arbeiten mit dem Verein zusammen. Sie machen bei betroffenen Familien auf das Hilfsangebot von Christine Gunder und ihren Kolleginnen aufmerksam. Oft dreht sich bei den Eltern alles nur noch um die Krankheit ihres Kindes. Betreut werden ehemalige Frühchen mit Entwicklungsverzögerungen, Kinder mit Diagnosen wie Autismus oder ADHS, mit Diabetes, Asthma, Lungenkrankheiten oder gar Krebs. Und dann gibt es noch die seltenen Erkrankungen wie muskuläre Hypertonie, bei der es zu Muskelverhärtungen, Lähmungserscheinungen und Gleichgewichtsstörungen kommen kann, manchmal auch zu Sprach- und Schluckstörungen. Oder die Schmetterlingskrankheit, bei der die Haut des Betroffenen so verletzlich sein kann wie der Flügel eines Schmetterlings. Das bedeutet, dass diese Kinder immer vorsichtig sein müssen. Einfach mal unbeschwert raufen oder auf dem Spielplatz toben, das ist fast unmöglich. Die Gefahr, dass sich das Kind verletzt und sich seine Haut dann bis in tiefere Schichten ablöst, ist zu groß.

Die Kinder sind nicht mehr so frei, so lebendig

„Kinder, die an Krebs erkrankt sind oder ein anderes chronisches Leiden haben, sind nicht mehr so frei, so lebendig. Sie sind sehr oft sehr viel verantwortungsbewusster und reifer, weil sie schon so viel durchmachen mussten. Manche haben eine Chemotherapie über sich ergehen lassen müssen, waren ans Bett gefesselt oder mussten lange Zeit im Krankenhaus verbringen. Und das macht was mit einem, wenn die Haare ausfallen, oder wenn man einfach nicht wie die anderen draußen spielen kann“, beschreibt Christine Gunder den teils enorm langen Leidensweg, der hinter den Kindern, aber auch deren Eltern und Geschwistern liegt.

Eltern finden Gleichgesinnte

Sowohl physischer als auch psychischer Schmerz soll in den Stunden im Verein vergessen werden. Eltern finden hier Gleichgesinnte. Geschwisterkinder werden hier integriert, denn als Bruder oder Schwester eines chronisch kranken Kindes kommen sie oft zu kurz. Hier werden auch sie gehört und richtig wahrgenommen.
Während ihre Kinder also in den Räumlichkeiten basteln, turnen, klettern oder Rollenspiele machen, können die Eltern sich austauschen und nicht selten entsteht dadurch eine Freundschaft, zumindest aber eine Interessengemeinschaft. Man ist nicht mehr so allein mit seinen Sorgen.

Basteln gehört ebenso zum Programm wie Gespräche und Rollenspiele. Foto: May-Britt Winkler

Spielen, Therapie und Lebenshilfe

„Hier DARF jeder sein und MUSS nicht“, freut sich die Sozialpädagogin Gunder, die sich besonders der Psychomotorik verschrieben hat. Mit diesem ganzheitlichen Therapiekonzept, das Bewegung und psychische Prozesse im Zusammenhang betrachtet, hilft sie jeden Tag kranken Kindern, ihren Körper zu spüren und so Selbstvertrauen aufzubauen. „Spielen, Therapie und Lebenshilfe“ hat sich der Verein, der ausschließlich aus Spenden finanziert wird, auf die Fahne geschrieben. Diese werden dringend benötigt, um hier auch weiterhin in diesem Umfang Entlastung, Gespräche, Beratung sowie Unterstützung anbieten zu können.

Christine Gunder im Psychomotorikraum des Vereins. Foto: May-Britt Winkler

Hilfe im bürokratischen Dschungel

„Oft ist so eine Erkrankung eine Belastung für die Beziehung, und wir erleben häufig, dass sich Paare doch früher oder später trennen.“ Gerade Alleinerziehende werden dann von Geldsorgen geplagt. Doch nicht nur fehlendes Geld stresst, sondern auch der bürokratische Dschungel aus Formularen und Anträgen: Wo gibt es einen Behindertenausweis? Wie bekomme ich Fahrtkosten zu weit entfernten Spezialisten erstattet? Wie überzeuge ich die Krankenkasse, dringend benötigte, spezielle Kleidung für die Haut meines Schmetterlingskindes zu bezahlen? Wo übernachte ich, wenn meine Tochter in Heidelberg in der Klinik ist? Und was mache ich, wenn mein Sohn vermutlich niemals selbstständig leben können wird?

„Bei uns im Verein geht es um Dinge, an die so viele Menschen, bei denen alles normal läuft, gar nicht denken. Es geht den meisten von uns verdammt gut, und wir nehmen vieles so selbstverständlich. Wir sehen hier täglich, dass Gesundheit das Wichtigste im Leben ist“, sagt Christine dankbar, selbst Mutter von zwei gesunden Kindern. Und genau das ist sie auch: von Dankbarkeit erfüllt. „Ich rege mich über Nichtigkeiten nicht mehr auf. Ich versuche, wirklich jeden Tag zu genießen.“

Verein für krebskranke und chronisch kranke Kinder e.V. Darmstadt
Heinrichwingertsweg 17 | 64285 Darmstadt
Telefon 0 61 51 - 25 396
krebskranke-kinder-darmstadt.de

Spendenkonto:
Stadt-und Kreissparkasse Darmstadt
IBAN: DE17 5085 0150 0006 0022 00
Volksbank Darmstadt
IBAN: DE62 5089 0000 0000 7777 06