Wir zeigen, wie ein guter Stillstart aussehen kann, was das Stillen für Vorteile hat, aber auch welche Schwierigkeiten es mit sich bringt – und wie sich diese lösen lassen.
Ein Beitrag von Anke Hèlene
Die junge Mutter sitzt gemütlich im Sessel, gibt dem zufriedenen Baby die Brust und lächelt ihm verliebt zu. Hach, wie schön die Stillzeit doch ist! In der Realität sieht das leider oft anders aus und nicht selten führen anfängliche Schwierigkeiten zum schnellen Aufgeben – doch das muss nicht sein. Auch wenn Stillen die natürlichste Art der Säuglingsernährung ist und quasi alles enthält, was das Baby in den ersten Lebensmonaten braucht, heißt das nicht, dass es für alle Mütter ganz von alleine funktioniert. Eine Hebamme, Familien- oder Stillberaterin und auch Geburtsvorbereitungskurse können zu einem gelungenen Stillstart beitragen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt übrigens, Säuglinge in den ersten sechs Monaten ausschließlich zu stillen und das Stillen auch nach der Einführung von Beikost bis zu zwei Jahre oder länger fortzusetzen.
Körperliche & emotionale Nähe
Nicht nur gesundheitlich spricht vieles fürs Stillen, auch emotional: Die gemeinsamen Stunden mit viel Hautkontakt und Nähe stärken die Mutter-Kind-Bindung und die dabei freigesetzten Hormone lösen nicht nur Glücksgefühle bei der Mutter aus, sie begünstigen auch die Rückbildung der Gebärmutter. Aber: Jede Mutter hat das Recht dazu, sich bewusst gegen das Stillen zu entscheiden. Ohne schlechtes Gewissen. Übrigens können auch hier Hebammen bei allen Fragen unterstützen oder helfen, den passenden Weg zu finden.
Katarina Romero-Frei, 34 Jahre, ist selbst jüngst nicht mehr stillende Mutter und arbeitet als Familienbegleiterin. Sie unterstützt und berät Familien speziell zu den Themen Stillen, Schlafen, Beikost und Flaschen- und Formulaernährung. „Mit meinem Kind hatte ich eine wundervolle und sehr intensive Stillbeziehung, die in mir den Wunsch geweckt hat, andere Eltern darin zu unterstützen, eine solche Erfahrung machen zu dürfen,“ erzählt Katarina.
Ihr ultimativer Stilltipp: „Prinzipiell würde ich jeder schwangeren Frau dazu raten, einen Stillvorbereitungskurs zu besuchen und sich auch mental darauf vorzubereiten. Durch die richtige Vorbereitung können vielen Schwierigkeiten schon vorgegriffen werden und es können Probleme oft gar nicht erst entstehen, sodass man selbstbewusst und informiert in die Stillzeit gehen kann.“ Oft würden die Probleme in den Vordergrund gestellt werden, wenn über das Stillen gesprochen wird, erzählt Katarina weiter. „Mir ist es wichtig zu vermitteln, dass Stillen eine wundervolle Erfahrung sein kann – auch für die stillenden Mütter. Sie denken oft, dass sie das Stillen nur für das Baby tun, dabei kann es auch für sie selbst eine große Bereicherung sein. Es vereint etliche positive Aspekte, die der ganzen Familie und sogar der Gesellschaft zugutekommen können.“
Lia:
Bei uns hat es anfangs gar nicht geklappt mit dem Stillen, mein Sohn bekam die Brustwarze einfach
nicht zu fassen und die Stillhütchen, die ich im Krankenhaus bekam, brachten mich zum Verzweifeln. Beim ersten Wochenbettbesuch meiner Hebamme stellte sie fest, dass das Zungenbändchen verkürzt ist. Ein Mini-Schnitt beim Kinderarzt, und wenige Sekunden später trank mein Sohn wie ein Profi. Übrigens fast drei Jahre lang.
Stillvorbereitung in der Schwangerschaft
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- Eine Hebamme oder Stillberaterin können zu einem gelungenen Stillstart beitragen und haben viele Tipps; dazu gibt es on- und offline Stillvorbereitungskurse. Auch wenn es nicht das erste Kind ist – jede Schwangerschaft, jede Geburt und jede Stillzeit ist anders und es ist wichtig, eine Expertin an der Seite zu haben.
- Sich schon mal theoretisch mit dem Stillen auseinanderzusetzen hilft, bei ersten Unsicherheiten nicht gleich aufzugeben.
- Vorab recherchieren, wo es in der Umgebung Stillgruppen gibt, um sich auszutauschen und Unterstützung zu bekommen.
- Stillfreundlichen Geburtsort wählen – Trennungen nach der Geburt, routinemäßiges Zufüttern, Schnuller, Stillhütchen und medizinische Interventionen können den Stillstart erschweren. Vorab in Krankenhäuser erkundigen und Wünsche aufschreiben und gegebenenfalls vom Partner nach der Geburt weitergeben lassen.
Direkt nach der Geburt
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- Baby unmittelbar nach der Geburt oder so bald wie möglich anlegen. Auch direkt im Kreißsaal, mit Hilfe vom Partner oder der Hebamme. Durch den natürlichen Saugreflex fängt das Baby an zu trinken und regt den Milchfluss an.
- Für sich eintreten oder Stillwunsch vom Partner weitergeben lassen, sodass etwa das Krankenhauspersonal informiert ist und nicht ohne medizinischen Grund zufüttert oder Schnuller benutzt.
- Zeitabstände einhalten? Quatsch! Leg dein Baby an, wann immer es möchte. Die Nachfrage regelt das Angebot und je mehr du stillst, umso mehr Milch wird gebildet. Geregelte Abläufe gibt es mit Neugeborenen sowieso nicht und ihr findet bestimmt mit der Zeit euren eigenen Rhythmus.
Infos und Links
Kostenlose Stillsprechstunde und Stillberatung im Familienzentrum:
www.familienbildung-darmstadt.de/beratung/stillberatung
Hebammenliste des Kreisverbandes Darmstadt-Dieburg:
www.hebammenliste-dadi.de/listen
Die Stillgruppe des Mehrgenerationenhauses/Mütterzentrum ist offen für alle stillenden
und nicht stillenden Mütter und ihre Kinder.
Termine und Anmeldung:
www.mehrgenerationenhaus-darmstadt.de
www.lalecheliga.de
www.afs-stillen.de
www.still-lexikon.de
Katarina Romero-Frei
Rosmarin Familienbegleitung
Tel.: 0151 65147288
Instagram: rosmarin.familienbegleitung
www.rosmarin-familienbegleitung.de
Minna:
Den besten Tipp habe ich von meiner Mama bekommen. Sie hat gesagt, ich soll mich im Krankenhaus nicht verrückt machen lassen. Sondern mir einfach denken, bald bin ich Zuhause, dann kann ich alles machen, wie ich will. Das hat mir unheimlich viel Ruhe und Zuversicht gegeben.
Tipps für die Stillzeit
Mach es dir bequem! Beuge dich beim Stillen im Sitzen nicht mit rundem Rücken zum Kind, sondern nutze Kissen oder Armlehnen, um aufrecht und gemütlich zu sitzen. Führe das Kind zur Brust und achte darauf, dass der Körper des Babys dir zugewandt ist. Sein Kopf sollte nicht überstreckt werden und deine Brustwarze direkt vor seinem Mund liegen. Die Brust dabei im C-Griff halten: Deine Finger stützen die Brust von unten und der Daumen etwa 3–4 cm über der Brustwarze die Brust von oben.
Stillpositionen wechseln: Durch regelmäßiges Wechseln der Positionen (die dir deine Hebamme oder Stillberaterin zeigen kann) und Seiten sorgst du für eine gleichmäßige Entleerung aller Brustregionen und vermeidest einen Milchstau. Gut zu wissen: Der Bereich der Brust, zu dem das Kinn des Babys beim Stillen zeigt, wird am stärksten entleert.
So ist dein Baby richtig angelegt: Kinn und Nasenspitze des Kindes berühren deine Brust, Unter- und Oberlippe sind nach außen gestülpt und umschließen die Brustwarze sowie einen Teil des Warzenhofes. Saugt das Baby mit nicht weit geöffnetem Mund oder nur am vorderen Teil der Brustwarze, können diese wund und blutig werden.
Um dein Baby von der Brustwarze zu lösen, nicht einfach ziehen, sondern deinen kleinen Finger sanft in den Mundwinkel des Babys schieben und damit den Sog lösen.
Wunde Brustwarzen? Selbst wenn du dein Baby richtig anlegst, kann es in den ersten Wochen zu wunden Brustwarzen kommen. Der Grund ist, dass sich die Brustwarzen erst an die Beanspruchung gewöhnen müssen. Eine Hebamme kann dir Tipps geben; Linderung können z. B. Kompressen und Salben bringen. Es kann auch helfen, die Muttermilch nach dem Stillen an der nackten Brust trocknen zu lassen und eine Zeitlang auf Still-BHs und enge Kleidung zu verzichten.
Häufiges Problem: Milchstau. Während der gesamten Stillzeit kann es immer mal wieder zu einem Milchstau kommen, wenn die Milch nicht richtig abfließen kann und die Brust so verhärtet. Manchmal trinkt das Baby nicht genug oder die Stillposition wird nicht oft genug gewechselt. Die Brust fühlt sich stellenweise verhärtet und warm an. Statt weniger stillen, lautet das Motto jetzt mehr stillen. Und zwar gerne so, dass das Kinn des Babys zur betroffenen Stelle zeigt und dieser Bereich effektiv entleert wird. Zusätzlich kann es helfen, vor dem Stillen die Brust zu wärmen und sie danach zu kühlen. Ein beliebtes Hausmittel ist auch Quark, der auf die Brust gestrichen wird. Trocknen lassen und anschließend abwaschen. Generell ist es wichtig, sich jetzt viel Ruhe zu gönnen und möglichst entspannt zu stillen.
Wichtig: Kommen Symptome wie Fieber und Gliederschmerzen dazu oder wird die Brust immer röter und wärmer, unbedingt rechtzeitig einen Arzt aufsuchen. Unbehandelt kann ein Milchstau zu einer Mastitis, einer Brustentzündung führen. Ärzte können stillfreundliche Antibiotika verschreiben.
Dos and don‘ts: Alkohol und Zigaretten sind natürlich für stillende Mütter tabu, aber Koffein in Maßen ist in Ordnung. Für viele Medikamente oder Antibiotika gibt es stillfreundliche Alternativen und dass Lebensmittel wie Zwiebeln oder Kohl gestrichen werden sollten, lässt sich nicht pauschal sagen. Nicht jedes Kind reagiert empfindlich auf die Ernährung der Mutter. Wichtig ist aber, die Ernährung vitamin- und nährstoffreich zu gestalten, schließlich wird ein kleiner Mensch davon versorgt und auch die Mutter selbst braucht nicht nur ein paar zusätzliche Kalorien in der Stillzeit, sondern vor allem viel Kraft.
Tipp: Vorratsschränke, Kühl- und Eisschrank schon in der Schwangerschaft auffüllen und sich für die erste Zeit nach der Geburt von der Familie und Freunden gesunde Gerichte vorbeibringen lassen.
Wasser oder Tee für Babys? Bitte nicht. Vor allem im Sommer oder wenn die Kleinen krank sind, wird immer noch häufig dazu geraten, zusätzlich Wasser oder Tee zu geben. „Tatsächlich brauchen gesunde Säuglinge, die nach Bedarf gestillt werden und noch keine Beikost erhalten, keine zusätzliche Flüssigkeit neben der Muttermilch oder Pre-Nahrung“, erklärt Katarina. Dies könne sich laut der Familienberaterin im schlimmsten Fall sogar negativ auf die Gesundheit des Kindes auswirken und eine sogenannte Wasservergiftung nach sich ziehen.
Dein Baby möchte ständig an die Brust? Das ist ganz normal – und kein Zeichen dafür, dass es nicht satt wird. „Häufig hören Stillende, dass sie eine bestimmte Zeit lang warten sollen, bis sie das Baby wieder anlegen oder dass es doch nicht sein könne, dass das Kind schon wieder hungrig sei. Tatsächlich stillen Kinder aber aus viel mehr Gründen als nur Hunger“, erklärt Familienbegleiterin Katarina. „So werden durch das Stillen auch Bedürfnisse wie Durst, Geborgenheit, Trost und Sicherheit erfüllt. Außerdem dient das Stillen an der Brust als Beruhigung, Einschlafhilfe und Schmerzlinderung. Dass ein Kind also phasenweise auch sehr viel häufiger als beispielsweise alle zwei Stunden stillen möchte, ist ganz normal und richtig.“
Gerade in den ersten Wochen komme es außerdem zu sogenannten Clusterfeeding-Phasen, in denen der Säugling sehr häufig in kurzen Abständen stillen würde, erläutert Katarina weiter. Dies diene der Milchbildung und sei ein normales und sinnvolles Verhalten im Zuge des steigenden Milchbedarfs und bedeute nicht, dass das Baby durch die Muttermilch nicht mehr satt werden würde: „Im Gegenteil – es bestellt sich damit quasi die Milch vor, die es benötigt. Diese Phasen können anstrengend sein – wichtig zu wissen ist, dass sie dazugehören und wieder vorübergehen. Stillen ist ein Vollzeitjob, der Körper leistet Wahnsinniges und man darf nachsichtig und sanft mit sich selbst sein.“
Christina:
Auf einmal war das zweite Kind da und das erste noch nicht abgestillt – und das war gut so. Für die neue
große Schwester hat es beim Thema Neid und Eifersucht geholfen und ich hatte das Gefühl, ich werde beiden mehr gerecht. Ein halbes Jahr lang haben wir das so gemacht und die Milchmenge hat sich von alleine perfekt angepasst.
Nächtliches Stillen
Stillen ist einfach praktisch, schließlich hat man die Nahrung fürs Kind immer dabei, perfekt portioniert und temperiert. Gerade nachts ist es schön, nicht extra aufstehen zu müssen, wenn das Baby Hunger hat. Mit der Zeit lernen viele Mütter im Liegen zu stillen – das ist vor allem hilfreich, wenn das Kind nachts oft aufwacht. Dazu liegst du in Seitenlage und stützt deinen Kopf mit einem Kissen. Die Stillbrust liegt unten und dein Baby dir zugewandt ebenfalls auf der Seite, nah an dir. Seinen Rücken kannst du mit einem Kissen stützen. Stillen im Liegen tut auch bei Geburtsverletzungen, die das Sitzen erschweren, gut.
Stillen & Frühchen
Ein zu früh geborenes Baby zu stillen, bringt nochmal ganz andere Herausforderungen mit sich, gerade wenn es Kind und Mutter im Krankenhaus getrennt werden müssen. Aber: es ist möglich – und wichtig. Geduld und Unterstützung durch Experten und Expertinnen sind Voraussetzungen, die zum Gelingen beitragen.
Stillen & Schwangerschaft
In einer erneuten Schwangerschaft weiterzustillen, stellt für viele Mütter eine Herausforderung dar, da sich die Milchmenge und -zusammensetzung verändern – und sogar der Geschmack. Während manche Frauen eine emotionale Ablehnung und eine Überempfindlichkeit der Brustwarzen verspüren, stillen andere einfach weiter, auch nach der Geburt (Tandemstillen). Gerade wenn das erste Kind noch klein ist und viel stillt, ist es hilfreich sich Unterstützung zu suchen und sich mit anderen Müttern auszutauschen.