fratz erklärt, wie Schlafprobleme entstehen können, stellt Lösungsideen vor und hat für Sie mit einem Schlafcoach gesprochen.
„Na, schläft es schon durch?“ Eine Frage, die Eltern eines Babys regelmäßig hören. Und oft genug auch hassen – wenn der eigene Zwerg gerade alle zwei Stunden wach wird, ausschließlich an der Brust einschläft oder nur mit komplizierten Prozeduren zu beruhigen ist.
Damit sind sie nicht allein: Studien zufolge haben etwa 20 bis 25 Prozent aller Kleinkinder Probleme mit dem Durchschlafen. Auch im Kindergartenalter und danach ist Schlafen (dann eher das Zubettgehen und Einschlafen) bei bis zu 40 Prozent der Familien ein Thema.
Kein Wunder, dass der Babyschlaf ein gern und viel diskutiertes Thema ist, im Freundeskreis ebenso wie im Web. Die einschlägige Ratgeberliteratur füllt Regale: „Jedes Kind kann schlafen lernen“, heißt es da, es gibt das „7-Tage-Schlaftraining“ und Titel, die „Ruhige Nächte mit Schritt-für-Schritt Anleitung“ versprechen. „Schlaf gut, Baby!“ und „Ab ins Bett!“, rufen sie unseren Kleinen zu.
Wie Babys schlafen
Doch jede Familie und jedes Baby ist anders: Zwar nennt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung einen durchschnittlichen Schlafbedarf von 16 bis 18 Stunden in den ersten drei Lebensmonaten – aber manche Babys schlafen deutlich weniger, andere 20 Stunden am Tag. Ein zwei Jahre altes Kind braucht im Schnitt 12 bis 13 Stunden Schlaf, ein Kindergartenkind ca. 11 Stunden. Wie bei Erwachsenen gibt es allerdings auch unter den Kleinen je nach Biorhythmus Viel- und Wenigschläfer, Eulen und Lärchen. Alle Säuglinge aber haben einen leichteren Schlaf als Erwachsene: Bei ihnen ist der Anteil der REM-Phasen größer, und das macht Sinn. So können Babys auch nachts ihre elementaren Bedürfnisse wie Hunger oder Kälte wahrnehmen.
In den ersten Lebenswochen muss sich das Baby erst langsam auf den Tag-Nacht-Wechsel einstellen, sodass es im Verlauf von 24 Stunden immer wieder kürzere oder längere Schlafphasen gibt. Allmählich wird sein Schlafverhalten regelmäßiger und das Baby nutzt vor allem die Nacht zum Schlafen, ergänzt um einige Schlafphasen am Tag. Sie unterscheiden sich von Kind zu Kind. Im zweiten Lebensjahr machen viele Kinder noch zwei Nickerchen am Tag, aber es gibt auch Kinder, die mit 18 Monaten nur noch einmal Mittagsschlaf halten und mit 24 Monaten gar nicht mehr.
Warum es oft nicht klappt
Woran liegt es, dass mancher Zwerg abends nicht in den Schlaf findet, nachts immer wieder wach wird und sich nicht allein wieder beruhigt? Die Ursachen sind so vielfältig wie die Temperamente und Familiensituationen. Einige Kinder sind von Natur aus unruhiger, finden nicht so leicht in einen Rhythmus, auch nicht am Abend. Manchmal überschätzen wir auch einfach den kindlichen Schlafbedarf.
Auch die Gestaltung des Tages hat Einfluss auf die Nächte: Wenn sich tagsüber noch keine Regelmäßigkeit eingespielt hat, ist die Wahrscheinlichkeit für unruhige Nächte höher. Und wenn der Tag besonders aufregend war, müssen die Eindrücke am Abend erst verarbeitet werden, bevor das Kind zur Ruhe findet. Auch ein neuer Entwicklungsschritt, zum Beispiel das Krabbeln- oder Laufenlernen, kann so eine aufregende Erfahrung sein. Bei Kleinkindern können mit Beginn der magischen Phase ab dem dritten Lebensjahr Ängste vor Hexen und Monstern oder Trennungsangst vom Schlafen im eigenen Bett abhalten. Ältere Kinder haben sich tagsüber vielleicht zu wenig bewegt – da ist dann abends einfach noch zu viel Energie übrig.
Oft aber sind ungünstige Einschlafgewohnheiten die Ursache für Probleme rund ums Bett. Sie haben sich manchmal ganz unbemerkt eingeschlichen: Das verschnupfte Baby konnte nur auf dem Arm einschlafen – jetzt lässt es sich nicht mehr ablegen. Es zupft an Mamas Haarsträhne oder Ellenbogen, um sich zu beruhigen – und weint, wenn sie fehlen … Auf diese Weise entstehen aufwendige, oft mühselige Einschlafrituale, die auch Auswirkungen aufs Durchschlafen haben. Wenn das Baby nämlich nachts kurz aufwacht, fehlen ihm Papas Arm oder Mamas Locke und es findet nicht mehr zurück in den Schlaf.
Lösungen finden
Nicht jedes Schlafproblem ist eine Störung und muss angegangen werden. Sie können ganz gelassen bleiben, solange das Kind nicht offensichtlich unter Schlafmangel leidet und alle Familienmitglieder mit der Situation zufrieden sind. Vieles erledigt sich von selbst, sobald das Kind den nächsten Entwicklungsschritt geht. Wenn die Probleme mit dem Ein- und Durchschlafen aber das Kind und den Familienalltag sehr beeinträchtigen, sollte man aktiv werden.
Kinder, die ein sogenanntes Übergangsobjekt haben, können sich oft leichter selbst beruhigen. Vielleicht weiß auch Ihr Kleines bald Schmusedecke, Schnuffeltuch, Kuscheltier oder Schnuller als Begleiter in den Schlaf zu schätzen.
Ein liebevolles Abendritual kann dabei helfen, den Übergang vom Tag zur Nacht zu markieren und zu erleichtern. Das kann nach Abendmahlzeit und Zähneputzen gemeinsames Kuscheln – außerhalb des Bettes! – sein, bei dem das Kind Zuwendung und Nähe für die Nacht tankt. Ganz Kleine können bei einer Babymassage entspannen, etwas Größere lieben es, wenn man zusammen ein letztes Bilderbuch anschaut oder eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt wird. Auch ein Abendgebet passt für manche Familien hier vielleicht. Wenn Mama oder Papa dann das Schlaflied singen, signalisiert schon der langsame Rhythmus, dass jetzt Ruhe einkehrt.
Manche Familien erzählen mit ihren größeren Kindern vor dem Schlafengehen gemeinsam über den vergangenen Tag. Ein Tagesresümee an der Bettkante kann aber, gerade wenn Problematisches zu besprechen ist, auch aufwühlen – dann besser zu einem anderen Zeitpunkt vorsehen.
Das Abendritual funktioniert durch seine Gleichförmigkeit und Vorhersehbarkeit. Trotzdem muss es natürlich von Zeit zu Zeit angepasst werden. Mit zunehmendem Alter wird Ihr Kind selbst Anregungen einbringen und sich so irgendwann seine eigene Bettgeh-Routine schaffen. Dass Schlafen dabei immer positiv besetzt sein sollte, versteht sich von selbst – also bitte das Kind nie als Strafe ins Bett schicken!
„Ferbern“ – was ist das?
Die Ferber-Methode ist ein Schlaftraining, das der US-Kinderarzt Richard Alan Ferber entwickelt hat. Die Eltern sollen ihr Baby müde, aber wach ins Bett legen, gute Nacht sagen und dann den Raum verlassen. Auch wenn das Kind weint, sollen die Eltern erst nach Ablauf einer bestimmten (immer länger werdenden Zeitspanne) zurückkehren und dürfen auch dann das Kind nicht auf den Arm nehmen. Die Methode ist umstritten.
Gerade bei kleinen Kindern ist es wichtig, den richtigen Moment zum Schlafengehen abzupassen. Wer auf Müdigkeitssignale wie Augenreiben, Wegdrehen, An-die-Ohren-Fassen und Quengeln achtet, erwischt leichter das Zeitfenster zum Einschlafen. Denn ein übermüdetes Kind findet nur noch schwer in den Schlaf.
Schon am Tag kann man viel für eine gute Nachtruhe tun. Ein Tagesablauf mit festen Essens- und Schlafenszeiten gibt Struktur. Und je kleiner das Kind ist, desto mehr gilt: Anregung ja, Aufregung nein. Zu viel Programm und Umtriebigkeit ist Gift für entspannte Abende.
Änderungen brauchen Zeit
Um ungünstige Einschlafroutinen zu ändern, braucht es Geduld, Konsequenz und Liebe. Änderungen sollte man in kleinen Schritten angehen – schließlich muss das Kind oft Gewohnheiten aufgeben, die ihm lieb und wichtig sind. Zugleich dürfen die Eltern signalisieren, dass sie es ernst meinen. Ihr Kind soll aber auch spüren, dass Sie ihm das Gelingen zutrauen und es bei der zu bewältigenden Aufgabe immer liebevoll begleiten werden.
Manchmal aber will gar nichts klappen und der Leidensdruck in der Familie steigt. Dann sollte man sich Hilfe suchen und den Kinderarzt ansprechen. Er kann auch abklären, ob eine Krankheit hinter den Schlafproblemen steckt.
Co-Sleeping – Familienbett und Babybalkon
Viele Eltern empfinden es als angenehm, in der ersten Zeit – oder auch länger – mit dem Nachwuchs ein Zimmer oder sogar das Bett zu teilen. Letzteres wird als Co-Sleeping im engeren Sinn bezeichnet. Auch das bekannte schwedische Möbelhaus zeigt derzeit, wie ein XXL-Familienbett jede Menge gemeinsamen Platz für Eltern und Kinder bieten kann. Anhänger des Co-Sleepings argumentieren, dass körperliche Nähe für das Baby die Befriedigung eines natürlichen Grundbedürfnisses ist. Wenn es die Atem- und Schlafgeräusche der Eltern wahrnimmt, fühlt es sich sicher und schläft ruhiger – und das gilt umgekehrt oft auch für die Eltern. Mütter schätzen es, stillen zu können, ohne dafür aufstehen zu müssen.
Wem es mit einem kleinen Mitschläfer im Bett nachts zu unruhig oder eng wird, für den kommt vielleicht ein Beistellbettchen oder ein Babybalkon in Frage, die direkt neben dem Elternbett platziert oder fest daran montiert sind. Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt als sichere Schlafumgebung – neben Rückenlage, sparsamem Bettzeug und einer rauchfreien, kühlen Umgebung – das Babybett im Elternschlafzimmer, um das Risiko für den plötzlichen Kindstod zu minimieren.
Schlafprobleme bei älteren Kindern
Vieles von dem schon Gesagten gilt auch für Kindergarten- und Schulkinder (strukturierter Tagesablauf, ruhiges Abendritual) und manche Schlafschwierigkeit ist aus der Kleinkindzeit ererbt. Manchmal helfen aber kleine Tricks und feste Familienregeln, neu auftretende Probleme zu mildern: Eine geöffnete Tür oder ein Nachtlicht kann Ängste in der Dunkelheit reduzieren, falls plötzlich Monster an der Zimmerdecke erscheinen. Wenn Rufe wie „Ich hab noch Durst“ aus dem Kinderzimmer offenbar nur den Zweck haben, Grenzen auszutesten, empfehlen sich Konsequenz und klare Ansagen: noch ein Glas Wasser nach dem Zähneputzen, danach ist Schluss.
Das Bett sollte nur zum Schlafen da sein. Tablet und Co. sollten rechtzeitig vor dem Einschlafen weggepackt werden, empfiehlt auch die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin – zu groß die Ablenkung und die Menge an wach machendem blauem Licht. Die Experten raten außerdem davon ab, das Bett tagsüber als Räuberhöhle etc. zu nutzen; fantasievolle Kinder könnten sonst nachts Ängste entwickeln.
Älteren Kindern erschwert manchmal Belastendes aus Schule oder Freundeskreis das Einschlafen. Ihnen können Entspannungstechniken wie autogenes Training dabei helfen, Geist und Körper selbstständig zu beruhigen.
Auf einem Schlafprotokoll lässt sich dokumentieren, wie viel und wann geschlafen wird (Vorlage zum Download z. B. unter www.kinder-
gesundheit-info.de). Mit seiner Hilfe kann man – zum Beispiel in den Ferien – auch ermitteln, wie groß der Schlafbedarf tatsächlich ist. Denn dauerhafter Schlafmangel schadet der Gesundheit, weil er das Immunsystem schwächt und im Extremfall die Entwicklung beeinträchtigt.
Den eigenen Weg gehen
Jedes Kind ist anders und es gibt, teilweise sogar innerhalb einer Familie, viele verschiedene Schlaftypen: unkomplizierte Schnell-selber-Schläfer, nächtliche Elternbetthupferl, Kinder mit anspruchsvollen Einschlafritualen … Und für jede Familie kann eine andere Lösung die richtige sein: Manche Eltern empfinden es nicht als Belastung, das Kind allabendlich in den Schlaf zu begleiten, andere setzen auf konsequentes Schlaftraining, wieder andere richten ein gemeinsames Schlafzimmer oder Familienbett ein. Wichtig ist: Es müssen sich alle wohlfühlen. Lassen Sie sich weder von Normwerten noch von wohlmeinenden Empfehlungen aus Web-Community, Verwandtschaft oder Ratgeberliteratur durcheinanderbringen! Hören Sie auf Ihren Bauch und finden Sie den Weg, der zu Ihrem Kind und zu Ihrer Situation passt.
Hilfen und Termine vor Ort:
• Vortrag „Babys schlafen anders“ am 4.12.2019 und 5.2.2020, jeweils 18:30 h, in der Praxis für Emotionelle Erste Hilfe, Prälat-Diehl-Straße 1, Darmstadt, Infos: www.eeh-darmstadt.de
• Kurs „Schlaf im ersten Lebensjahr“ am 11.12.2019, 10 Uhr, im Eltern-Kind-Café Amelia, Rheinstraße 28, Darmstadt; Infos und Anmeldung: schlafcoaching-bauer.de
• Die Familienzentren in der Region, z. B. in Darmstadt und Bensheim, beraten in Baby- und Kleinkindersprechstunden auch zum Thema Schlaf.
• SchreiBabyAmbulanz Darmstadt und Landkreis: Tel. 0 61 51 / 3 60 45 97, www.menschenskinder-darmstadt.de, Krisentelefon: 01 51 / 16 52 80 65
• Schlafcoaching Sandra Bauer, Weiterstadt, schlafcoaching-bauer.de
• Schlafcoaching Bianca Niermann, Seeheim-Jugenheim, bianca-niermann.de, www.schlafcoaching-deutschland.de
Schlafcoaching für ruhige Nächte
Wie viel Schlaf braucht ein Kind?
Interview mit Schlafcoach Sandra Bauer aus Weiterstadt
Was ist Schlafcoaching?
Als Erstes geht es darum, das Problem zu suchen, das die Familie mit dem Schlaf ihres Kindes hat. Ein Schlafproblem ist immer ein Systemproblem. Beim Coaching machen wir uns gemeinsam daran, die Hemmnisse zu beseitigen, die die Eltern von der Lösung des Problems abhalten.
Mit welchen Problemen kommen die Eltern zu Ihnen?
Ganz oft geht es um das Thema ungünstige Einschlafhilfen: Das Kind kann nur in der Trage, an der Brust oder in der Federwiege einschlafen und der Stress wird dabei für alle Beteiligten immer größer. Oder das Einschlafen dauert abends mindestens zwei Stunden.
Manche Kinder wachen auch nachts oft auf und können dann mehrere Stunden nicht wieder einschlafen.
Was für Tipps haben Sie?
Es gibt kein Patentrezept, denn jede Familie ist anders. Ich rate den Eltern, sich zu überlegen, wie sie selbst am besten einschlafen würden. Wirklich bei Dauerhüpfen oder mit Föhngeräusch? Denn oft verstärken solche Einschlafhilfen die Unruhe des Kindes noch. Tipp: Lassen Sie dem Kind seinen Raum. Auch wenn es im Ungleichgewicht ist und weint, sollten Sie ihm diese negativen Emotionen zugestehen und es dabei begleiten. Entscheidend ist außerdem, dem Kind Ruhe zu schenken. Das kann durch feste Abendrituale und auch durch eine geregelte Alltagsstruktur geschehen.
Online-Infos:
Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin:
• Broschüre „Schlafstörungen bei Säuglingen, Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen“, www.dgsm.de
Wenn das Schlafproblem – vielleicht kombiniert mit Schreien – zu einer akuten Krise führt:
• Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e. V.:
• www.bke-elternberatung.de (Mailberatung, Einzel- und Gruppenchat, moderierte Foren).
Elterntelefon der „Nummer gegen Kummer“:
Tel. 0800 / 1 11 05 50 (Mo. – Fr. 9 – 11 Uhr, Di. und Do. 17 – 19 Uhr)