Ein Beitrag von Anke Breitmaier

Erst lernen die Kleinen laufen, später besteigen sie mit Dreirad oder Laufrad ihr erstes Fahrzeug und dann sind sie reif fürs Wasser: Schwimmen gehört zu den Fähigkeiten, die man am besten schon im Kindesalter erlernen sollte. Und das nicht nur, weil das in bestimmten Situationen lebensrettend sein kann.

Zunächst einmal ein paar harte Fakten: Immer mehr Kinder in Deutschland können nicht schwimmen. Das belegt eine Forsa-Umfrage für die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Sie ermittelte, dass sich die Zahl der Nichtschwimmer unter Grundschülern in den letzten Jahren verdoppelt hat. Rund 20 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren konnten 2022 nicht schwimmen. 2017 waren es noch 10 Prozent. Und nicht nur das: Weitere 23 Prozent der Kinder seien unsichere Schwimmer, gaben die Eltern in der Umfrage an. Nur etwas mehr als die Hälfte, nämlich 57 Prozent, kann sicher schwimmen.

Schwimmen ist wichtig, nicht nur wenn man an der Küste, einem Fluss oder See wohnt

Ob im Freibad oder im Pool, im Urlaub oder bei der Klassenfahrt – Kinder sollten sich in Gewässern nicht nur über Wasser halten, sondern auch richtig fortbewegen können und in kritischen Situation wissen, was zu tun ist. Nur so lassen sich tödliche Badeunfälle verhindern. Diese sind zwar zum Glück nur selten – laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) sind vergangenes Jahr 20 Kinder im Vor- und Grundschulalter ertrunken. Jeder einzelne Fall ist aber einer zu viel. Umso wichtiger ist es, dass Kinder schwimmen wie Lesen und schreiben können – und es auch mit dieser Selbstverständlichkeit lernen.

Corona, Energiekrise, Schwimmbad-Mangel

In Hessen steht Schwimmen zwar nach wie vor in den Grundschulen auf dem Stundenplan. Aber immer mehr Unterricht fällt aus, auch nach Corona. Nicht nur der Lehrermangel, auch das Bädersterben trägt dazu bei. Denn immer mehr Hallen- oder Freibäder schließen. Laut DLRG haben immer weniger Grundschulen ein geeignetes Trainingsbad in der Nähe. Nach den pandemiebedingten Lockdowns mussten viele Hallenbäder schließen. Die Energiekrise tut nun ihr Übriges dazu, dass Schwimmstätten immer unrentabler werden und damit Orte fehlen, an denen Schulschwimmen überhaupt stattfinden kann. Auch Schwimmkurse für Kinder sind rar gesät – hier machen sich ebenfalls die Umstände bemerkbar: Verfügbarkeit und Öffnungszeiten von Schwimmbädern sind oft so eingeschränkt, dass kein regelmäßiges Training stattfinden kann.

Schwimmen gegen den Strom

Was also tun, wenn man auf einer wasserrutschenlangen Warteliste für einen Platz im Kinderschwimmkurs steht? Eltern, die selbst sicher und vor allem gerne schwimmen oder sogar ein Schwimmabzeichen haben, wissen sich und ihren Kindern zu helfen. Schwimmenlernen geht auch ohne Kurs, aber dabei gilt es einiges zu beachten. Mit ein paar Trainingseinheiten ist es nicht getan, häufiges Üben ist wichtig, damit sich die Kleinen im Wasser gut und vor allem sicher bewegen können. Zudem sollten Eltern, die ihrem Kind das Schwimmen beibringen wollen, die Technik auch selbst richtig beherrschen. Denn lernt ein Kind zum Beispiel den Beinschlag beim Brustschwimmen nicht richtig, wird es später schwierig, diese „Fehler“ auszumerzen.

Seepferdchen reicht nicht

Einmal falsch erlernte Bewegungen sind nämlich später nur schwer zu korrigieren, auch wenn es in erster Linie nicht um schönes, sondern um sicheres Schwimmen geht. Das beherrscht ein Kind eigentlich erst dann, wenn es die Aufgaben schafft, die für den Freischwimmer, also das Schwimmabzeichen Bronze, gefordert werden (siehe Info-Kasten). Hat ein Kind das Seepferdchen erfolgreich absolviert, ist das keinesfalls ein Beweis für seine Schwimmfähigkeiten. Ein Kind, das dieses erste und damit einfachste Schwimmabzeichen schafft, hat damit nur bewiesen, dass es sich ans Wasser gewöhnt hat und im besten Fall nicht sofort untergeht.

Interview

Annette Albers hat mit vier Jahren in einer Schwimmschule schwimmen gelernt, mit 14 Jahren als chwimmtrainerin für Kinder angefangen, mit 16 Jahren folgte die Trainerausbildung. Vom Kinderschwimmen kam sie zum Erwachsenen-Anfängerschwimmen und hat unter swimpower.de eine Schwimmschule für Techniktraining betrieben. fratz hat mit ihr über das Schwimmenlernen gesprochen.

Es lohnt sich immer, mit den eigenen Kindern ins Schwimmbad zu gehen!

fratz im Interview mit Annette Albers, Eventveranstalterin und Swimcoach.

fratz: Schwimmkurse für Kinder sind derzeit schwer zu finden. Sollten Eltern warten, bis sie einen der begehrten Plätze bekommen, oder selbst aktiv werden?

Es lohnt sich immer, mit seinen Kindern ins Schwimmbad zu gehen. Wassergewöhnung erlernen die Kids, indem sie sich spielerisch im Wasser bewegen. Dabei können Eltern sehr viel selbst aktiv werden. Super ist, wenn die Eltern zumindest in der Anfangszeit beim Schwimmenlernen regelmäßig mit den Kids ins Wasser gehen können. Sehr gut kann man dazu auch den Urlaub nutzen, wenn es dort einen Pool gibt. Wenn man dann wieder zu Hause ist und die Kids sich im Wasser wohlfühlen, sollte man aber auch weiterhin mindestens zwei Mal die Woche ins Schwimmbad gehen. Man findet übrigens viele Online-Angebote, wenn man z.B. „online Schwimmkurs für Eltern“ googelt.

fratz: Wie können Eltern ihren Kindern schwimmen selbst beibringen?

Langsam anfangen, sie ans Wasser gewöhnen und sie spielerisch das Schwimmen entdecken lassen. Eltern können ihre Kinder ermuntern, zum Beispiel erstmal im flachen Wasser abzutauchen, unter Wasser auszuatmen und zu blubbern. Auch unter Wasser die Augen öffnen ohne Brille, von der Stufe abstoßen und gleiten, auf dem Rücken schweben, durchs Wasser gezogen werden sind erste Ansätze.
Ich würde sogar empfehlen, dabei keine Schwimmflügel oder Gürtel zu nutzen – da muss aber unbedingt immer ein Erwachsener dabei sein und aufpassen, hier ist eine 1-zu-1- oder 1-zu-2-Betreuung notwendig. Man kann nach Ringen tauchen, Tiere nachahmen oder mit einer Poolnudel spielen. Diese kann man als Schwimmhilfe nutzen, man kann sie aber auch reiten wie ein Seepferdchen und so Gleichgewicht im Wasser üben. In der Wassergewöhnung sprechen wir von den drei Aspekten Schweben, Sinken, Gleiten, die Kinder erlernen sollen. Gerade das Schweben ist ein Zustand, der die Kleinen anfangs „überrascht“. Lange versuchen sie noch Bodenkontakt zu halten. Wenn sie aber einmal merken, was Schweben bedeutet, sind sie oft ganz begeistert.

fratz: Wann können Eltern denn mit dem Schwimmtraining beginnen?

Ins Wasser kann man die Kinder schon sehr früh mitnehmen und sie so daran gewöhnen. Aber je kleiner die Kinder sind, desto wärmer sollte das Wasser und umso kürzer die Aufenthaltszeit sein, sonst kühlen die Kleinen aus. Bis zum Alter von etwa drei Monaten gibt es den Atemreflex, dann halten die Babys unter Wasser die Luft an. Spielen und Planschen kann man also immer. Mit dem richtigen Schwimmunterricht fängt man in der Regel ab vier Jahren an.

fratz: Was sind die größten Herausforderungen, wenn Eltern ihren Kindern das Schwimmen beibringen wollen?

Das ist die Unsicherheit der Eltern. Sie sollten ihren Kindern Sicherheit vermitteln und darum natürlich auch selbst sicher sein, sich also im und mit dem Wasser wohlfühlen. Die Kleinen vertrauen in der Regel erst einmal dem Erwachsenen. Solange sie keine negativen Erfahrungen machen, bleibt das auch so. Man sollte also darauf achten, dass die Kinder dann nicht einfach mal untergehen. Eigene Erfahrungen zu machen, kann gut sein, etwa wenn die Kinder erleben, dass sie in tieferem Wasser nicht stehen können. Aber hier brauchen sie unbedingt Schutz und Begleitung. Denn Schockerlebnisse im Wasser sind kontraproduktiv.

fratz: Wie können Eltern sicher sein, dass ihr Kind wirklich gut schwimmen kann?

Da sollten sie in jedem Fall vorsichtig sein, sich also am Meer oder Pool nicht darauf verlassen, dass ihr Kind ja schon irgendwie schwimmen kann. Die Schwimmabzeichen sind hilfreich, weil sie nachweisen, was ein Kind schwimmtechnisch schon beherrscht. Damit man ein solches Abzeichen machen kann, muss man bestimmte Schwimmaufgaben erfüllen, da erkennt man schon, was ein Kind alles kann. Einen Kurs braucht man dafür nicht, man kann bei jedem Bademeister ein Schwimmabzeichen machen.

Vom Seepferdchen bis zum Gold-Abzeichen

Die wichtigsten Schwimmabzeichen für Kinder

Wer schwimmen kann, ist klar im Vorteil. Einen Nachweis darüber braucht man in der Regel nicht. Aber es kann Kinder motivieren, ein schickes Schwimmabzeichen zu erwerben. Die Kleinen sind stolz, wenn sie das Seepferdchen machen und ihren Badeanzug oder ihre Badehose mit dem kleinen Emblem auszeichnen können. Mit jedem Abzeichen steigt der Schwierigkeitsgrad und damit die Herausforderungen für Schwimmkursteilnehmer. Ein Mindestalter gibt es nicht.

Frühschwimmer (Seepferdchen)
Aller Anfang ist einfach: Für das Seepferdchen müssen Kinder die Baderegeln kennen und diese Aufgaben erfüllen:
• Sprung vom Beckenrand, anschließend 25 m Schwimmen in Bauch- oder Rückenlage
• Heraufholen eines Gegenstandes mit den Händen aus schultertiefem Wasser

Vielseitigkeitsschwimmabzeichen (Seehund Trixi)
Als nächstes kommt Seehund Trixi. Für diese Aufgaben darf man keine Hilfsmittel wie eine Schwimm- oder Taucherbrille verwenden:
• 25 m Brustschwimmen
• 25 m Rücken- oder Kraulschwimmen
• 15 m Dribbeln mit einem Wasserball
• Kopfsprung vorwärts
• 7 m Streckentauchen
• eine Rolle vorwärts oder rückwärts um die Quer- oder Längsachse im Wasser

Bronze (Freischwimmer)
Früher war dieses Abzeichen als „Freischwimmer“ bekannt, heute nennt man es schlicht „Bronze“. Dafür muss das geschafft werden:
• Sprung kopfwärts vom Beckenrand und 15 Minuten Schwimmen. In dieser Zeit sind mindestens 200 m zurückzulegen, davon 150 m in Bauch- oder Rückenlage in einer erkennbaren Schwimmart und 50 m in der anderen Körperlage (Wechsel der Körperlage während des Schwimmens auf der Schwimmbahn ohne Festhalten)
• einmal ca. 2 m Tieftauchen von der Wasseroberfläche mit Heraufholen eines Gegenstandes
• ein Paketsprung vom Startblock oder vom 1-m-Brett

Silber
Jetzt wird es schon komplexer. Denn für dieses Abzeichen müssen Kinder nicht nur die Baderegeln kennen, sondern auch wissen, wie sie sich selbst aus einer Wassernotlage retten können, etwa was sie tun, wenn sie beim Schwimmen Krämpfe bekommen oder erschöpft sind. Das müssen Kinder können:
• Sprung kopfwärts vom Beckenrand und 20 Minuten Schwimmen. In dieser Zeit sind mindestens 400 m zurückzulegen, davon 300 m in Bauch- oder Rückenlage in einer erkennbaren Schwimmart und 100 m in der anderen Körperlage (Wechsel der Körperlage während des Schwimmens auf der Schwimmbahn ohne Festhalten)
• zweimal ca. 2 m Tieftauchen von der Wasseroberfläche mit Heraufholen je eines Gegenstandes
• 10 m Streckentauchen mit Abstoßen vom Beckenrand im Wasser
• Sprung aus 3 m Höhe oder zwei verschiedene Sprünge aus 1 m Höhe

Gold
Nach Gold kommt kein Schwimmabzeichen mehr, das zum Deutschen Schwimmpass gehört. Wer so weit gekommen ist, kann sich zum Leistungs- oder Rettungsschwimmer ausbilden lassen. Neben allen anderen Kenntnissen muss der Prüfling hier auch wissen, wie er andere rettet, z.B. bei Bade-, Boots- und Eisunfällen.
• Sprung kopfwärts vom Beckenrand und 30 Minuten Schwimmen. In dieser Zeit sind mindestens 800 m zurückzulegen, davon 650 m in Bauch- oder Rückenlage in einer erkennbaren Schwimmart und 150 m in der anderen Körperlage (Wechsel der Körperlage während des Schwimmens auf der Schwimmbahn ohne Festhalten)
• Startsprung und 25 m Kraulschwimmen
• Startsprung und 50 m Brustschwimmen in höchstens 1:15 Minuten
• 50 m Rückenschwimmen mit Grätschschwung ohne Armtätigkeit oder Rückenkraulschwimmen
• 10 m Streckentauchen aus der Schwimmlage (ohne Abstoßen vom Beckenrand)
• dreimal ca. 2 m Tieftauchen von der Wasseroberfläche mit Heraufholen je eines Gegenstandes innerhalb von 3 Minuten
• Ein Sprung aus 3 m Höhe oder 2 verschiedene Sprünge aus 1 m Höhe
• 50 m Transportschwimmen: Schieben oder Ziehen