Sei es zum Spielen, Scrollen oder Chatten: Werden mehr als fünf Stunden täglich online verbracht, spricht man von Mediensucht, einer sogenannten substanzlosen Sucht (wie Kaufsucht, Sexsucht oder Sammelsucht), deren psychische Abhängigkeit nicht zu unterschätzen ist.

In Deutschland gibt es derzeit etwa 600.000 medienabhängige Jugendliche, Tendenz steigend, wen wundert’s. Sind doch Outdoor-Aktivitäten, Präsenz-Unterricht sowie gemeinsam verbrachte Zeit durch die Pandemie weitgehend eingeschränkt und verhindert worden.
Vorsicht: Nicht jeder aus den Fugen geratene Gebrauch von Handy & Co. ist gleich als Medienabhängigkeit verorten! Für die meisten sind Gaming und Soziale Netzwerke eine Möglichkeit der Zerstreuung, eine Auszeit von Leistungsdruck und den katastrophalen Nachrichten der Gegenwart. Über die beliebten Plattformen werden Freundschaften und Kontakte aufrechterhalten sowie Informationen ausgetauscht, man bleibt vernetzt und auf dem Laufenden. Wir Menschen sind soziale Wesen, wir brauchen das Miteinander und die täglichen „Plings“, jeder auf seine Weise, Kinder und Jugendliche ebenso wie ihre Eltern.
Fatalerweise gibt es im Netz sowie in der Kommunikation über Messenger keine Begrenzung, unser Gehirn wünscht sich aber nichts sehnlicher als ein Happy End – und eine Belohnung. Also scrollen und scrollen wir auf der Suche nach Punkten, Informationen und Likes. Die Spiel-, Werbe- und Unterhaltungsindustrie macht sich das zu Nutze und manipuliert uns, wo sie kann, schließlich profitiert sie von den User*innen. Es ist wichtig, diese Strategie zu durchschauen und rechtzeitig zu durchbrechen.
Führen Gaming und Chatten über einen längeren Zeitraum von etwa einem halben Jahr zum totalen Rückzug aus dem sozialen Leben, kommen chronische Müdigkeit, Leistungsabfall und körperliche Verwahrlosung hinzu, wird es kritisch. Ist die Kontrolle über Mediennutzungszeiten verloren gegangen und tauchen Depressionen und Angststörungen auf, ist spätestens jetzt Handeln angesagt.
Egal, ob vermehrt Mädchen sich in den sozialen Netzwerken verlieren und Jungs nicht mehr vom Controller wegzubekommen sind, es hilft nicht, den Medienkonsum zu beschränken oder das Handy wegzunehmen. Es braucht Struktur, Halt und Gespräch.
Regeln helfen, wenn es gilt, die Online-Offline-Balance und einen strukturierten Tagesablauf herzustellen. Vor allem aber braucht es ein attraktives Alternativprogramm, das an die Belohnungsstruktur aus dem bekannten (Spiel-)Verhalten ansetzt und Dopamin, also körpereigenes Glückshormon, freigibt.
An dieser Stelle geht es nicht mehr um‘s Erziehen. Eltern sind jetzt gefordert, die Beziehung zu ihren Kindern wieder herzustellen und zu pflegen. Verbindende Aktivitäten sind gefragt, ob Kochen, Shoppen, Werkeln, Basteln oder Fitness, es geht darum, Gemeinsamkeiten zu entdecken und zu stärken. Vielleicht helfen auch Bilder, Filme und Musik, über Medien und ihre Wirkung sprechen und den Bezug zum realen Leben wieder herzustellen. Wer in seinem sozialen Umfeld sicher verankert ist, Liebe und Rückhalt erfährt, läuft seltener Gefahr, sich in Süchten und Abhängigkeiten zu verlieren.

Ilona Einwohlt für MuK Hessen