Sie betreut die Familie in der Schwangerschaft, ist bei der Geburt an der Seite der Mutter und schaut danach, ob es allen gut geht – wer an den Beruf der Hebamme denkt, hat oft genaue Vorstellungen. Viele Frauen wünschen sich eine individuelle Begleitung durch eine Hebamme, die vor und nach der Geburt zu ihnen nach Hause kommt. Aber nicht nur in Darmstadt haben werdende Mütter Schwierigkeiten, eine Hebamme zu finden. Denn davon gibt es offensichtlich zu wenige.

Geburtshilfe gesucht, Problem gefunden

Yannicka Russo musste diese Erfahrung machen. Die 30-jährige Darmstädterin erwartet ihr erstes Kind, im September ist Geburtstermin. Den wird sie ohne eigene Hebamme absolvieren.

„Nach dem 3. Monat bin ich auf die Suche gegangen, das war echt frustrierend.“ Sie und ihr Verlobter haben nach Hebammen gegoogelt, von der Frauenärztin hatten sie eine Adressenliste. „Es war nicht so, dass da wenige drauf waren.“ Aber von den 16 Hebammen, die sie per Mail angeschrieben hatte, haben elf abgesagt, die meisten einfach per automatischer Mitteilung. „Zwei wollten, beziehungsweise konnten den Weg nicht auf sich nehmen (von Darmstadt nach Darmstadt wohlgemerkt), drei haben sich überhaupt nicht gemeldet.“

Zwei Monate später startete Yannicka Russo den zweiten Anlauf. „Diesmal hab ich den Radius erweitert und nur nach Nachsorge im Wochenbett gesucht.“ Aber auch hier hagelte es nur Absagen. Yannicka Russo findet das traurig und schade. „Das ist so ein wichtiger Lebensabschnitt, da hätte ich mir eine intensive Begleitung gewünscht.“ Nun hat sie sich im Krankenhaus für die Entbindung angemeldet, und wird dann von einer der dort angestellten Hebammen unter der Geburt betreut. „Einen Plan B haben wir nicht, es wird auch ohne Hebamme gehen. Vielleicht werde ich das digitale Angebot vom Klinikum annehmen, aber ansonsten vertraue ich auf die Unterstützung von Familie und Freunden, die schon Kinder haben – und auf meine Intuition.“

Mangelware Hebamme

1,59 Kinder bringt jede Frau in Deutschland statistisch gesehen zur Welt. Das ist der höchste seit 1973 gemessene Wert. Wir können uns also über immer mehr Kinder freuen, zugleich gibt es aber weniger Hebammen und immer mehr Kreißsäle werden geschlossen.
Dass die Versorgungslage kritisch ist, liegt laut Deutschem Hebammenverband unter anderem daran, dass der Betreuungsbedarf pro Frau heute wesentlich höher ist als noch vor wenigen Jahren. So gibt es mittlerweile regulär Frühentlassungen aus Klinken und es kann mehr Hebammenhilfe in Anspruch genommen werden. Frauen, so der Deutsche Hebammenverband, machen davon häufiger Gebrauch, da sie besser informiert sind und die familiäre Unterstützung abgenommen hat.

Fürsorge am Lebensstart

Der Beruf der Hebamme ist einer der ältesten der Welt, auch heute kommt Geburtshelferinnen eine besondere Rolle zu: Sie stehen Frauen bei Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit bei. Für jede Frau ist das Mutterwerden eine besonders emotionale Lebensphase, in der sich vieles ändert und Ängste oder Unsicherheiten aufkommen. Gerade bei einer Erstgeburt ist eine sachverständige Vertrauensperson, die körperliche und seelische Veränderungen beobachtet, erklärt und einordnet, immens wichtig als Unterstützung. Zudem hilft die Hebamme dabei zu entscheiden, ob das Kind im Kreißsaal, im Geburtshaus oder Zuhause zur Welt kommen soll.

Hebammen können eine Schwangerschaft feststellen und den Mutterpass ausstellen. Wenn keine Risikoschwangerschaft vorliegt und die Schwangere gesund ist, können sie fast alle im Mutterpass vorgesehenen Vorsorgeuntersuchungen durchführen. Sie kontrollieren etwa Gewicht und Blutdruck, stellen Lage und Größe des Kindes fest, prüfen Herztöne, messen Urin- und Blutwerte und sind erste Ansprechpartnerinnen bei Beschwerden. Nur Ultraschalluntersuchungen sind Ärztinnen oder Ärzten vorbehalten.

Bei jeder Geburt unterstützt eine Hebamme als Fachkraft die werdende Mutter. Auch nach der Geburt bei der Betreuung im Wochenbett bleibt die Hebamme wichtige Ansprechpartnerin und versorgt Mutter und Kind auch medizinisch. Außerdem trägt die Hebamme auf emotionaler Ebene dazu bei, dass Mutter und Kind in den ersten Lebenstagen eine enge Bindung aufbauen und die Frauen in ihre Rolle als Mutter hineinfinden.

fratz spricht mit Elke Schaaf

Leitrerin des Geburtshauses Osan in Seehiem-Jugenheim

Elke Schaaf
Geburtshaus Osan an der Bergstraße
Hauptstraße 34
64342 Seeheim-Jugenheim,
Tel.: 06257 – 90 31 96
www.osan-geburtshaus.de

Warum finden so viele Frauen keine Hebamme?

Die Hebammensuche ist aufgrund der politischen Situation in den vergangenen Jahren sehr schwierig geworden. Viele Hebammen haben sich aus dem Beruf zurückgezogen, vor allem aus der außerklinischen Geburtshilfe.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Hebammenberuf auszuüben. Die Mehrheit entscheidet sich für den Weg, als Angestellte oder als Beleghebamme in der Klinik zu arbeiten und übernimmt neben dem Schichtdienst nur einen Teil der Wochenbettbetreuungen. Daneben gibt es Hebammen, die hundert Prozent freiberuflich arbeiten. In der Freiberuflichkeit decken die meisten lediglich den Vor- und Nachsorgebereich ab. Nur wenige freiberufliche Hebammen arbeiten noch zusätzlich in der außerklinischen Geburtshilfe. Vor allem die Frauen, die eine Geburt in einem Geburtshaus oder eine Hausgeburt favorisieren, haben massive Probleme, eine Hebamme zu finden.

Warum ist das so?

Die meisten Hebammen steigen aufgrund der ständig steigenden Haftpflichtprämien aus der Geburtshilfe aus. Bis zum Jahr 2020 steigt der Beitrag auf 9.098 Euro bei einer aktuellen Vergütung von 638,75 Euro pro Geburt. Da nur 1,5 Prozent der Geburten außerklinisch stattfinden, ist für viele das Risiko zu groß, den Lebensunterhalt mit außerklinischer Geburtshilfe zu bestreiten.

Bekommen Sie sehr viele Anfragen?

Ja, es werden immer mehr. Manche Frauen kommen sogar schon, bevor sie überhaupt schwanger sind. Aus Erfahrung haben wir uns dafür entschieden, Paare erst ab der 12. Schwangerschaftswoche anzunehmen. Natürlich sind wir auch vorher Ansprechpartnerinnen, jedoch gehen wir in der sensiblen Zeit vor der 12. Schwangerschaftswoche mit den Paaren noch keine enge Verbindlichkeit ein.

Braucht denn jede Frau eine Hebamme vor und nach der Geburt?

Jede Frau braucht auf jeden Fall eine Hebamme zur Geburt, das ist sogar gesetzlich vorgeschrieben. Ob und inwieweit eine Frau auch eine Hebamme in der Schwangerenvorsorge und im Wochenbett braucht, ist jeder selbst überlassen. Viele Frauen lassen heutzutage ihre Vorsorge in der Schwangerschaft fast ausschließlich über den Gynäkologen abdecken. Viele Paare sind schlecht informiert und wissen oft gar nicht, dass sie sich neben ihrem Frauenarzt auch eine Hebamme an die Seite holen können. Viele glauben, dass man sich entscheiden muss: entweder Vorsorge über den Frauenarzt ODER Hebamme. In Hebammenkontakt kommen die Schwangeren dann oft nur durch Kurse wie Geburtsvorbereitung oder Schwangerschaftsgymnastik. Meiner Meinung nach braucht eine Frau für die erste Zeit als junge Mutter einen kompetenten Ansprechpartner. Die Nachsorgehebamme geht auf alle Fragen ein, kontrolliert die Gewichtszunahme des Babys, überwacht die Abheilung des Nabels sowie die Entwicklung des Kindes. Bei der Mutter wird die Rückbildung der Gebärmutter überwacht und Fragen zum Stillen/Füttern werden beantwortet. In der Nachsorge haben wir Hebammen ein offenes Ohr für alles. Es gibt natürlich viele Nachsorgen, bei denen kaum Probleme vorhanden sind, aber dies kann man nicht im Voraus wissen.

Wenn ich keine Hebamme gefunden habe, die mich begleitet, was dann?

Es ist traurig, dass immer mehr Frauen ohne Hebamme im Wochenbett auskommen müssen. Wir im Geburtshaus Osan sind bemüht diese Paare aufzufangen, und bieten seit August dieses Jahres die „inHouse-Nachsorge“ an. Bei diesem Betreuungsangebot haben die Frauen die Möglichkeit, dreimal in der Woche ins Geburtshaus zur Nachsorge zu kommen und sich in der telefonischen Rufbereitschaft Rat und Unterstützung zu holen. Frauen, die dieses persönliche Angebot nicht wahrnehmen möchten, bleibt als weitere Möglichkeit die Sprechstunde beim Frauen- bzw. Kinderarzt oder die digitale Hebammenberatung vom Klinikum Darmstadt.

Mütter fragen, Hebammen antworten

Die digitale Hebammenberatung vom Klinikum Darmstadt

Das Klinikum Darmstadt ist die größte Darmstädter Geburtsklinik mit mehr als 1700 Geburten jährlich. Auch hier wird der Hebammenmangel spürbar. Um diese Lücke zu schließen, gibt es seit Juni für Mütter, die im Klinikum entbinden, zur Nachsorge ein kostenloses Online-Beratungsangebot von Hebammen. Das Klinikum bietet es in Kooperation mit dem Berliner Start-up-Unternehmen Kinderheldin GmbH an.

Jede frischgebackene Mutter erhält dafür bei Verlegung oder Entlassung aus dem Kreißsaal der Frauenklinik am Klinikum Darmstadt einen individualisierten Zugangscode. Damit kann sie in den kommenden Monaten bis zu 20 Mal kostenlos die Beratung auf https://kinderheldin.de/klinikum-darmstadt in Anspruch nehmen, telefonisch oder per Live-Chat.

Dieser Service soll es Schwangeren und Eltern von Babys, die keine Hebamme gefunden haben, ermöglichen, schnell und unkompliziert eine verlässliche Expertenmeinung bei Alltagsproblemen und Gesundheitsfragen einzuholen. Die Hebammen von Kinderheldin unterstützen täglich mit medizinisch fundierter Beratung bei allen Fragen zu Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Kind.

Weitere Informationen gibt es hier.

Geburtsvorbereitung & Nachsorge

Frauenfitnessstudio Amanusa in Darmstadt

Mit den Kursen für die Geburtsvorbereitung können sich werdende Mütter mit Unterstützung ihrer Partner körperlich und mental auf die Geburt und den Start in ein Leben mit Baby vorbereiten. Auf dem Programm stehen Atemtraining und Entspannungstechniken, Partnerübungen und entspannende Massagen. Zusätzlich erhalten werdende Eltern hilfreiche Informationen zu Geburtsphasen, Stillen, Wochenbett und Rückbildung nach der Geburt. Einen Großteil der Kursgebühr übernimmt die Krankenkasse.

Nach der Geburt gibt es für Mitglieder und Kursteilnehmerinnen außerdem eine Hebammensprechstunde, Rückbildungsyoga und -kurse. Auch wenn die Babys einige Monate alt sind, haben Mütter und Väter noch dringende Fragen – diese beantwortet eine erfahrene Hebamme. Die Kosten trägt die Krankenkasse.

Amanusa | Ludwigsplatz 6 | Darmstadt | Tel.: 06151-3608360 | Infos unter: www.amanusa.de/eltern-kind-kurse/geburtsvorbereitung-und-nachsorge/

Die Situation von Hebammen in Zahlen

Laut Deutschem Hebammenverband gibt es hierzulande etwa 24.000 Hebammen. 2016 waren 9.301 Hebammen in Kliniken fest angestellt, 1.776 arbeiteten als Beleghebammen freiberuflich. Rund 72,9 Prozent arbeiteten in Teilzeit oder waren geringfügig beschäftigt.

Rund 1,5 Prozent der Geburten in Deutschland waren im Jahr 2016 außerklinisch: 4.983 Hausgeburten und 7.187 Geburten in Geburtshäusern.
Den Hebammen geht es ähnlich wie den Pflegekräften in Deutschland. Es gibt zwar immer mehr zu tun, aber da die Bezahlung oft nicht angemessen ist, die Arbeitszeiten schwierig sind und die gesellschaftliche Anerkennung fehlt, wollen immer weniger diesen Job vollumfänglich übernehmen.
Außerdem gibt es das Versicherungsproblem: 2007 musste eine Hebamme 1.587 Euro für die Haftpflichtversicherung bezahlen, 2018 sind es schon bis zu 8.174 Euro. Eine Wahl hat die Hebamme nicht, die Berufshaftpflichtversicherung ist gesetzlich vorgeschrieben. Deshalb arbeiten die wenigsten Hebammen ausschließlich freiberuflich und sind meist noch in einer Klinik angestellt. Dort verdienen sie für eine Vollzeitstelle laut Hebammenverband durchschnittlich 2.797 Euro brutto.

Die richtige Hebamme finden

  • Frauen können für die Zeit vor der Geburt und auch danach eine Hebamme frei wählen. Die Kosten dafür übernimmt die Krankenkasse.
  • Adressen von Hebammen bekommt man beim Frauenarzt oder der Geburtsklinik. Tipps von anderen (werdenden) Müttern sind auch hilfreich.
  • Über die Angabe der Postleitzahl oder von speziellen Tätigkeitsgebieten kann man im Internet auf www.hebammensuche.de im gesamten Bundesgebiet freiberufliche Hebammen suchen.
  • Sinnvoll ist es, eine Hebamme in der Nähe zu wählen, denn kurze Fahrwege sind für beide Seiten gut.
  • Manche Hebammen bieten nur Vorsorge- und Nachsorgemaßnahmen an, andere alle Leistungen rund um die Geburt, das muss man bei der Wahl berücksichtigen.
  • Für die Schwangerschaft können sich Frauen eine Begleit-Beleghebamme suchen. Die Entbindung muss dann in einem Krankenhaus stattfinden, mit dem die Hebamme einen Vertrag geschlossen hat.
  • In einem Geburtshaus ist ein Team aus Hebammen zuständig. Meist begleitet die Hebamme die Geburt, die die Betreuung in der Schwangerschaft übernimmt.
  • Bei einer Hausgeburt ist die Hebamme aus der Vorbereitungszeit dabei, eine zweite kann als Unterstützung zum Einsatz kommen.

Hebamme werden?

  • Die Ausbildung an Hebammenschulen dauert drei Jahre.
  • Sie umfasst 1600 Stunden Theorie und 3000 Stunden praktische Ausbildung mit Einsätzen im Kreißsaal und in einer freien Praxis.
  • Für die Zulassung sind eine gesundheitliche Eignung und ein Realschulabschluss nötig. Unter bestimmten Bedingungen reicht auch ein Hauptschulabschluss.

Mehr Informationen unterwww.hebammenverband.de/beruf-hebamme/ausbildung/hebammenschulen/hebammenschulen-hessen/