Ein Beitraag von Anke Breitmaier
Zu der biologischen Kernfamilie gesellen sich in modernen Beziehungszeiten häufig noch weitere Eltern, Kinder und womöglich Anverwandte. Unter dem Jahr ist das schon eine echte Herausforderung für Patchworkfamilien. An Weihnachten kann das erweiterte Familienszenario auch problematisch werden. Gut, wenn alle darauf vorbereitet sind.
Es ist kompliziert. Ewa (44 Jahre) und Michael (42 Jahre) leben seit drei Jahren getrennt, erst im vergangenen Sommer wurden sie offiziell geschieden. Zwei gemeinsame Kinder haben sie, deren Betreuung sie sich so gut es geht im Alltag teilen. Der achtjährige Jona geht in die Grundschule, Jil ist elf und schon auf dem Gymnasium. Den Eltern war bei der Trennung vor allem wichtig, dass ihre Kinder möglichst wenig darunter zu leiden haben. Bisher lief nach einigen Anlaufschwierigkeiten alles rund. Auch die ersten „Trennungsfeste“ wie Geburtstage und Weihnachten managten Ewa und Michael gut.
Neue Partner, neue Kinder, neues Fest?
Doch jetzt ist alles etwas anders. Denn das erste Fest in neuer Konstellation steht vor der Tür. Ewa ist seit knapp einem Jahr mit John zusammen. Und Michael lebt mit Isabell zusammen. Die neuen Partner haben ebenfalls Kinder. Und jetzt wird es schwierig. Denn Johns 14-jährige Tochter und Isabells zweijährige Zwillinge müssen auch irgendwie unter einen Festtagshut gebracht werden. Eine logistische und auch emotionale Herkulesaufgabe ist das für alle Beteiligten.
Achtsam die Weihnachtszeit gestalten
Schon unter halbwegs normalen familiären Umständen kann Weihnachten sowohl für Kinder als auch für Erwachsenen eine Herausforderung werden. Schließlich ist das Fest der Feste eine hochemotionale Angelegenheit. Und je mehr beteiligt sind, umso mehr unterschiedliche Vorstellungen, Erwartungen und Wünsche prallen aufeinander. Kinder, die nach der Trennung ihrer Eltern erst noch mit der neuen Situation und mit der veränderten Familienkonstellation fertig werden müssen, haben es in dieser Zeit besonders schwer, mit ihren oft starken Gefühlen umzugehen. Daher ist es umso wichtiger für Eltern, in der Weihnachtszeit auf ihre Kinder aber auch auf sich selbst achtzugeben und behutsam und sensibel die Festtage anzugehen.
Ewa und Michael haben eine Lösung gefunden. Zusammen mit ihren gemeinsamen Kindern haben sie einen Plan für Heiligabend und die Feiertage geschmiedet und dabei die Wünsche von Tochter und Sohn berücksichtigt: Sie wagen den Versuch, am 24. Dezember abends zu viert zu feiern und die beiden Weihnachtsfeiertage in der jeweils „neuen“ Familie zu verbringen. Wie das funktioniert, wird sich zeigen. Aber die Eltern sind zuversichtlich.
An Weihnachten wird vieles offensichtlich
Kinder haben ein unendliches Bedürfnis nach familiärem Zusammenhalt. Vor allem am Fest der Liebe merken sie mitunter sehr deutlich, wie zersplittert ihre Familie ist. Vielleicht schauen sie anders und aufmerksamer auf all die heilen Familien in ihrem Umfeld, die in vermeintlich trauter Harmonie Weihnachten feiern. Das kann Trennungskinder sehnsüchtig, eifersüchtig, traurig oder auch wütend machen. Darum ist es wichtig, Trennungskindern gerade an Weihnachten besonders viel Aufmerksamkeit zu widmen, um sie in ihrem Gefühlschaos aufzufangen. Auch für die Eltern kann es belastend werden. Denn sie werden ebenfalls mit Verlustgefühlen und widersprüchlichen Emotionen konfrontiert.
Liebe ist alles!
Umso wichtiger ist es, gerade jetzt offen mit der Problematik umzugehen und auch negative Gefühle zuzulassen. Kinder sollte man ernstnehmen, mit ihnen über die großen Veränderungen reden, wenn sie alt genug sind, es zu verstehen. Eine liebevolle Begleitung kann auch bedeuten, die Kleinen in ihrer Trauer zu trösten. Dabei sollten Mütter und Väter nicht schönreden, was ist, aber die Situation auch nicht dramatisieren. Das ist leichter gesagt als getan. Unsere Tipps können vielleicht dabei helfen, mit den anderen Festumständen besser klarzukommen.
Tipps fürs Patchworkfest
Planen Sie die Feiertage fair und vorausschauend
Alle wollen das Fest der Liebe auch mit ihren Lieben verbringen. Entsprechend hart umkämpft ist der 24. Dezember bei Patchworkeltern. Wer feiert wann wo wie lange und mit wem? Was wollen die Eltern und was wünschen sich die Kinder? Je nach deren Alter sollten Sie mit oder ohne Ihre Kinder besprechen, wie Sie die Feiertage aufteilen. Hilfreich ist bei der Absprache, Organisatorisches einzubeziehen. Was macht mehr Sinn: Wenn Tochter oder Sohn bei dem Elternteil übernachtet, das ausgezogen ist, oder doch besser nur zum Feiern in die neue Wohnung geht und dann zuhause im gewohnten Umfeld übernachtet? Auch hier ist ein Wechselmodell denkbar: In diesem Jahr wird bei Papa gefeiert, 2024 bei Mama ist eine Option.
Gemeinsam sollten Sie nur feiern, wenn es wirklich passt
Viele Eltern haben das Bedürfnis, sich ihrer Kinder zuliebe an Weihnachten gut zu vertragen. Auch wenn der Wille dazu stark ist, kann die Feiertagsatmosphäre kritisch sein und schwelende Konflikte wieder aufflammen lassen. Gerade wenn die Trennung noch „frisch“ ist und schwierig war oder es noch einiges aufzuarbeiten gilt, kann der gemeinsame Festakt schwierig werden. Sind Sie wirklich schon bereit, unter diesen getrennten Umständen zusammen als Ex-Familie zu feiern? Das sollten Sie sich ehrlich fragen. Ein solches Weihnachtsfest kann Kinder verwirren, denn es weckt alte Erinnerungen. Womöglich schürt es auch Hoffnungen, dass die Eltern wieder zusammenkommen können und hat damit entsprechend großes Enttäuschungspotenzial. Gerade die ersten Weihnachtsfeste unter Trennungsbedingungen sind heikel – machen Sie sich darauf gefasst und haben Sie den Mut, auch zu Ihren Gefühlen zu stehen.
Klare Regeln für Kinder, aber auch ein Mitspracherecht
Manche getrennte Paare stellen ganz klare Regeln fürs Fest auf, andere entscheiden das Jahr für Jahr neu. Wie Sie Ihre Kinder einbinden, bleibt Ihnen überlassen. Ein Mitspracherecht sollten sie auf jeden Fall haben, damit Weihnachten eine schöne Kindheitserinnerung ist. Abmachungen sind gut, aber starre Vereinbarungen können sehr bedrückend werden. Signalisieren Sie Ihren Kindern, dass es okay ist, wenn sie doch zum anderen Elternteil wollen, etwa weil sie sich in der „neuen“ Familie unwohl fühlen. Ehrlichkeit zahlt sich auch hier aus und sollte auch von Ihnen nicht als Ablehnung empfunden werden.
Feiern nur bei Mama? Geben Sie Ihrem Kind das Gefühl, dass es in Ordnung ist
Kinder fühlen sich oft zerrissen, denn eigentlich wollen sie, dass alles beim Alten und die Familie zusammenbleibt. Überfordern Sie Ihre Kinder nicht damit, alles selbst entscheiden zu müssen. Nehmen Sie ihnen diese schwere Aufgabe ab, indem Sie sich als Eltern fair und sachlich im Sinne der Kleinen einigen. Wichtig ist, dass Sie bei Ihren Kindern keine Schuldgefühle auslösen, etwa indem Sie ihnen vermitteln, dass es traurig ist, wenn Mama oder Papa am 24. Dezember alleine bleibt.
Geschenke aufteilen
Auch hier ist eine vernünftige Kommunikation zwischen Ihnen als Eltern das A und O. Damit verhindern Sie, dass die Weihnachtsgeschenke eine emotionale Bedeutung bekommen, zum Beispiel als Entschädigung oder Wiedergutmachung. Lassen Sie Ihr Kind eine Wunschliste mit mehreren Geschenken schreiben, die zwischen Ihnen als Eltern abgesprochen und aufgeteilt werden. Es können auch zwei Listen sein, jeweils eine für Mama und eine für Papa. Daraus sollte auf keinen Fall ein Geschenkekampf werden nach dem Motto: Wer hat das bessere, größere und teurere Geschenk? Und denken Sie daran: Oft ist ein gemeinsames Erlebnis viel wertvoller als alles andere.
Steuern Sie wenn möglich eigene Gefühle
Nicht immer läuft eine Trennung glimpflich ab. Oft ist einer der Partner der Verlassene, der besonders am Weihnachtsfest zu spüren bekommt, was er oder sie verloren hat. Wut und Trauer sind dann sehr verständlich. Aber lassen Sie diese Gefühle Ihre Kinder nicht spüren. Denn sie horchen gerade jetzt besonders in Sie hinein und nehmen sich vieles zu Herzen. So sollte zum Beispiel auch tabu sein, über den anderen Elternteil oder den neuen Partner zu schimpfen, Schuldzuweisungen zu äußern oder über Größe und Art der Geschenke zu meckern. Wenn Ihr Kind von sich aus etwas erzählen möchte, hören Sie ihm zu, fragen Sie es jedoch nicht aus. Das kann Ihr Kind in Verlegenheit oder Loyalitätskonflikte bringen.