Wer zum ersten Mal beim Kidditch-Training der „Darmstädter Donnerdrachen“ zuschaut, verliert schnell den Überblick. Die Kinder aber scheinen zu wissen, was sie tun.
Ein Beitrag von Anke Hélene
Heute haben sich auf der TSG-Wiese sieben Kinder zwischen neun und 15 Jahren versammelt, um den aus der Harry-Potter-Welt bekannten Besensport Wirklichkeit werden zu lassen. „Schade nur, dass der Besen nicht in echt fliegt“, findet der elfjährige Felix und die anderen Kinder stimmen ihm zu. Der Besen ist beim Kidditch (ein Wortspiel aus Quidditch und Kids) auch kein echter Besen, sondern ein PVC-Rohr und somit viel geeigneter, um mit ihm ein schnelles Spiel zu bestreiten. Und schnell ist Kidditch allemal
Handball und Völkerball in einem
„Ich beschreibe es gerne als Mischung aus Hand- und Völkerball“, sagt Trainerin Miriam, die, wie das dritte Trainerin:in-Mitglied Kunz, seit vielen Jahren selbst aktive Spielerin im Darmstädter Erwachsenen-Team ist. „Es ist einfach eine spannende Mischung aus verschiedenen sportlichen Elementen.“ Den Besen sieht sie dabei wie ein Handicap: „Es gibt ja keine Ballsportart, bei der man sonst alles verwenden darf, Füße und Hände. Der Besen erhöht den Schwierigkeitsgrad.“
Während bei anderen Sportarten wie Fußball die Kinder ab einem gewissen Alter nach Geschlechtern getrennt werden, gibt es beim Kidditch und Quidditch immer gemischte Teams. Offenheit und Diversität sind Themen, die bei der Sportart sehr wichtig sind – und die Freude am Sport. Das merkt man auch am Stil der Trainer:innen: Im Vordergrund steht weniger die Leistung als mehr der Spaß. Es wird viel gelacht bei den „Darmstädter Donnerdrachen“, die Kinder fühlen sich wohl, dürfen ganz viel mitentscheiden – auch die Namensfindung war ein gemeinsamer Prozess. „Es ist das Team der Kinder“, erklärt Miriam. „Sie gründen es mit uns, wir gründen es nicht für sie.“
„Einfach mal was anderes“
Seit ein paar Jahren gibt es in den Sommerferien im Nachbarschaftsheim im Prinz-Emil-Garten regelmäßig Kidditch-Ferienspiele – und aus diesen wurde 2022 das erste Kinder-Team gegründet. Es war ein großer Wunsch der Kinder, aber auch das Team der Erwachsenen, die „Darmstadt Athenas“ wünschte sich Nachwuchs. Noah, 11 Jahre, und Kristina, 15 Jahre, beide Harry Potter Fans und seit dem ersten Training dabei, finden, dass Kidditch „einfach mal was anderes ist“. Man dürfe mehr machen als beim Fußball und hätte mehr Freiheiten. „Und außerdem sind die anderen Kinder auch echt nett“, so Kristina.
Der soziale Aspekt ist beim Kidditch tatsächlich groß, es wird viel Wert auf Fairness gelegt und ohne Kommunikation geht nichts, da die verschiedenen Positionen erst durch die Abstimmung aufeinander ihr Spiel erfolgreich aufziehen können.
Chaser, Beater, Keeper & Seeker
Beim Kidditch gibt es, wie auch in der Zaubererwelt, verschiedene Positionen und Bälle mit unterschiedlichen Funktionen. Der Chaser ist Jäger und wirft den Quaffel durch die gegnerischen Ringe, wofür es Punkte gibt. Als Beater – Treiber – macht man den Gegnern das Leben schwer und wirft sie mit einem Ball ab, sodass sie sich erst wieder freispielen müssen. Der Keeper hat als Hüter dieselbe Rolle wie der Chaser, aber mit einer besonderen Rolle an den eigenen Ringen, auf die er aufpasst. Der Sucher (Seeker) schließlich muss den Schnatz (Snitch) vor dem gegnerischen Team fangen. Übrigens ist der Schnatz in der Muggel-Welt ein Tennisball, der in einem sockenähnlichen Gebilde an einer Hose mit Klett befestigt ist und erst im Laufe des Spieles dazukommt. Er wird von einer neutralen Person (Referee) verteidigt und muss wie beim Flag-Football abgerissen werden. Der Körperkontakt ist in der Kids-Variante reduziert und die Regeln etwas vereinfacht, ansonsten ist Kidditch mit Erwachsenen-Quidditch weitgehend identisch.
Alle dürfen sich auf den Besen schwingen
Durch die verschiedenen Elemente ist der Sport sehr vielseitig und alle können ihren Platz beim Kidditch finden. Es kommt weniger auf Körpergröße und Stärke an als mehr auf Geschicklichkeit und Taktik. Denn es ist gar nicht so leicht, den Besen festzuhalten, zu werfen, zu fangen und zu kicken, auszuweichen und dabei auch noch den Überblick zu behalten. Deshalb gibt es bei professionellen Spielen immer mehrere Schiedsrichter. Schön für Kinder ist auch, dass einfach losgespielt werden kann, ohne Vorkenntnisse oder bestimmte Voraussetzungen, es aber auch eine strategische Tiefe gibt, die es interessant macht.
Beim Training auf dem Rasen neben der Felsinghalle gibt es an diesem Abend Fangspiele zum Aufwärmen, Dribbel- und Wurfübungen, Taktikübungen und ein kleines Kidditch-Spiel zum Abschluss.
„Es ist wichtig, dass ihr ein Gefühl für den Ball bekommt“, erklärt Trainerin Madline den Kindern, während sie nur mit einer Hand den Ball werfen und fangen. Mit der anderen halten sie sonst schließlich den Besen fest.
„Fußball spielen doch alle“, erklärt Elisa, 9 Jahre, die erst seit kurzem dabei ist. „Ich lese Harry Potter und finde es einfach cool, dass es das jetzt auch in echt gibt“. In ganz Deutschland gibt es mittlerweile Kidditch-Teams und ein Wunsch der „Darmstädter Donnerdrachen“ sind mehr Mitstreiter. Ob Harry Potter Fan oder nicht – einfach vorbeikommen und ausprobieren, alle sind willkommen!
Kidditch-Training der Darmstädter Donnerdrachen
Wann? Donnerstags, 17:30 – 19 Uhr
Wo? Auf dem Rasen neben der Felsinghalle, TSG 1846, Darmstadt
Wer? Kinder zwischen 8 – 14 Jahren, keine Vorkenntnisse nötig
Kontakt: Miriam Krimmer,
info@quidditch.tsg-1846.de
Aus Quidditch wird Quadball
Der Sport soll in Zukunft eine von der Harry-Potter-Welt unabhängige Identität bekommen und sich als eigenständige Sportart etablieren. Neben der internationalen Professionalisierung, sollen auch lizenzrechtliche Probleme vermieden werden und auch von der Autorin J. K. Rowling und ihren homophoben und transfeindlichen Äußerungen möchte sich die internationale Quadball Community distanzieren: „Quadball ist für alle offen und ohne Einschränkungen spielbar, unabhängig von ihrer Orientierung oder Identifikation.“