Jede Geburt ist für die Eltern ein einzigartiges Ereignis, um das schon vorher viele Gedanken und Fragen kreisen. fratz hat dazu mit Hebammen und Geburtshelfern aus der Region gesprochen. Sie erzählen, welche Optionen rund um die Geburt es hier gibt und wie ihr euch am besten vorbereitet.

Seit der fratz vor einigen Jahren über Geburtshilfe in Südhessen berichtet hat, hat sich einiges verändert: Die Entbindungsstation im St.-Rochus-Krankenhaus in Dieburg wurde geschlossen, die großen Darmstädter Geburtskliniken Marienhospital und Städtisches  Klinikum sind fusioniert, das Geburtshaus am Ohlenbach gibt es so nicht mehr. Aktuell steht auch die Aufgabe der Geburtshilfe im Heilig-Geist-Hospital in Bensheim zur Diskussion, wo schon Mitte Dezember bis Anfang Januar der Kreißsaal wegen eines Personalengpasses geschlossen war.

Die Optionen beim Wo und Wie

Für die Geburt soll alles stimmen. Da spielt die Wahl des Geburtsortes eine wichtige Rolle. Wer sich eine Hausgeburt wünscht, der hat derzeit schlechte Karten. Viele Hebammen haben sich aus der Geburtshilfe zurückgezogen, da die Haftpflichtprämien stark gestiegen sind; kaum eine bietet noch Hausgeburten an. Eine Alternative ist die Entbindung im Geburtshaus. Elke Schaaf vom Geburtshaus Osan in Seeheim-Jugenheim: „Wenn die Schwangerschaft normal verlaufen ist, dann geht man davon aus, dass die Frau auch völlig normal entbinden wird. Im Geburtshaus hat die Frau eine feste Ansprechpartnerin, die ihre Ängste, Wünsche und Vorstellungen kennt. In geschützter, geborgener Atmosphäre und mit dem Gefühl, in der Geburtsarbeit unterstützt zu werden, fällt das Loslassen leichter.“

Eine ambulante Geburt kommt für Paare in Frage, die die Sicherheit einer Klinik nicht missen möchten, aber bald wieder in ihrer gewohnten Umgebung sein wollen. Margit Begon ist  Beleghebamme am Alice-Hospital in Darmstadt. Sie erklärt: „Die Mutter wird zunächst  stationär aufgenommen. Wenn die Geburt ohne Probleme verlief, kann sie mit dem Baby zwei bis drei Stunden später nach Hause gehen. Diese Entscheidung sollte und kann man aber nicht im Vorfeld treffen, sondern erst, wenn das Baby da ist.“ Bei einer Klinikgeburt gibt es unterschiedliche Modelle: Das Alice-Hospital und das Marienhospital in Darmstadt etwa arbeiten mit Beleghebammen und -ärzten zusammen: Ein niedergelassener Arzt und  eine freie Hebamme betreuen die Frau unter der Geburt. Ein Perinatalzentrum wie das Klinikum Darmstadt kann ein besonders hohes Sicherheitsniveau gewährleisten.  Privatdozent Dr. Sven Ackermann, Leiter der Frauenklinik: „Bei uns sind 24 Stunden am Tag ein Oberarzt  und ein Assistenzarzt da, ständig sind drei Narkoseteams im Klinikum verfügbar, die Neugeborenen-Intensivstation ist angeschlossen; trotzdem bekommt man hiervon bei einer unkomplizierten Geburt kaum etwas mit.“ Sven Ackermann vergleicht es mit dem Anlegen eines Sicherheitsgurtes: „Im Normalfall braucht man ihn nicht, aber wenn etwas passiert, bietet er einen guten Schutz.“

Entscheidungshilfen

Alle Kliniken bieten regelmäßig Infoabende für werdende Eltern an. Dort erzählen Ärzte und Hebammen, wie eine Geburt in ihrem Haus abläuft, welche Leistungen geboten werden, und zeigen die Räumlichkeiten. Teilweise kann man den Kreißsaal auch individuell besichtigen. Sven Ackermann vom Klinikum: „Rufen Sie einfach an. Wenn nicht gerade Hochbetrieb ist, können Sie gerne vorbeikommen.“ Trotzdem ist es manchmal nicht leicht, aus all den Angeboten die passende Lösung zu finden. Inge Buß von der Hebammenpraxis Mutter und Tochter in Darmstadt-Wixhausen hat früher das Geburtshaus am Ohlenbach geleitet und rät: „Schaut euch viele Kliniken an, hört auch hinter die Aussagen. So könnt ihr den Platz finden, wo ihr loslassen, wo ihr „aufmachen“ könnt. Und besucht Kurse, informiert euch. Wissen hilft gegen Angst und gibt ein gutes Gefühl. Und das ist die wichtigste Voraussetzung für eine gelingende Geburt.“ Wichtig ist, dass sich die werdenden Eltern über ihre Wünsche und Bedürfnisse klar werden. Nicht jede Möglichkeit kommt für alle infrage. Abgesehen von medizinischen Indikationen legen manche Paare mehr Wert auf Maximalversorgung, während anderen die Betreuung durch eine vertraute Hebamme in schöner Umgebung wichtiger ist. „Es gibt nicht den besten Geburtsort. Entscheidend ist, dass sich die Schwangere gut betreut fühlt“, fasst Hebamme Elke Schaaf zusammen.

Gut vorbereitet

Auch wenn es bis zum Geburtstermin noch ein Weilchen dauert: Ihr solltet euch frühzeitig um eine Hebamme für die Wochenbettbetreuung kümmern. Manche Hebamme empfiehlt, die Suche mit dem positiven Schwangerschaftstest zu starten. Andere raten dazu, die ersten kritischen Monate abzuwarten und sich am Ende des ersten Trimesters zu melden beziehungsweise wenn man innerlich bereit ist. Noch wichtiger ist ein frühes Kümmern für alle, die eine Beleghebamme für die Geburt suchen. „Es empfiehlt sich, mit dieser Hebamme auch ein paar Vorsorgeuntersuchungen zu machen. Sie ersetzen dann einfach die Termine beim Frauenarzt und man kann Wünsche für die Geburt besprechen“, sagt Margit Begon vom Alice-Hospital. In der Geburtsklinik selbst ist eine Anmeldung in der Regel nicht  zwingend notwendig. Manfred Fleck vom Alice-Hospital in Darmstadt: „Der Vorteil ist aber, dass Sie den Papierkram schon hinter sich haben, eventuelle Zusatzwünsche wie ein  Familienzimmer anmelden und medizinische Fragen klären können.“ Auch im Klinikum Darmstadt ist eine Anmeldung nur bei besonderen Problemen nötig, etwa wenn ein Kaiserschnitt geplant ist. Um gut informiert und richtig vorbereitet in die Geburt zu gehen, empfehlen sich Kurse für werdende Eltern, die in Kliniken, Geburtshäusern und  Hebammenpraxen in großer Vielfalt angeboten werden: von der klassischen  Geburtsvorbereitung (auch als Crashkurs oder nur für Frauen) über Säuglingspflege bis zu Akupunktur und Yoga für Schwangere. Oft haben Schwangere mit typischen Beschwerden zu kämpfen. Auch da können Hebammen Ansprechpartner sein. „Gegen Übelkeit, Ödeme oder Migräne hilft Akupunktur. Auch mit Dorn-Therapie und Taping, zum Beispiel wenn der Ischias-Nerv eingeklemmt ist, haben wir Erfolge“, berichtet Inge Buß aus ihrer Praxis. „Die Behandlung wird von den Krankenkassen bezahlt und da wir auch abends und am  Wochenende Termine vergeben, können auch Berufstätige davon profitieren.“

Unter der Geburt

Wenn die Wehen eingesetzt haben und man schließlich in der Klinik angekommen ist, halten  die Geburtsabteilungen eine Vielfalt an Unterstützungsmaßnahmen und Erleichterungen bereit: Neben klassischen schmerzlindernden Maßnahmen werden Aromatherapie, Akupunktur, Homöopathie oder ein Entspannungsbad angeboten. Teilweise sorgen ein großes Familienbett oder eine Liege für den Vater für familienfreundliche  Rahmenbedingungen. In allen Kreißsälen der Region werden die unterschiedlichsten  Gebärpositionen mit Hilfsmitteln unterstützt: gebären auf dem Hocker, im Vierfüsslerstand, am Seil, im Stehen, in Seitenlage … Hebamme Margit Begon: „Wir motivieren die Frauen, sich viel zu bewegen, nicht so viel zu liegen.“ Hebamme Inge Buß erzählt: „Oft ist es aber trotzdem so, dass die Frau zur Geburt auf dem Rücken liegt – eigentlich die schlechteste Gebärhaltung nach dem Kopfstand …“ Und gibt es Neues beim Kinderkriegen? „Heute sind die Babys etwas größer als früher, außerdem bekommen Frauen nicht mehr so viele Kinder“, erzählt Sven Ackermann vom Klinikum. Wirklich Revolutionäres hat sich in der Geburtshilfe in den letzten Jahren aber nicht getan. „Jedes Baby wird letztlich auf demselben Weg  geboren“, erzählt die freie Hebamme Nimet Canpolat. „Alle Frauen, ob blond oder dunkel, Muslima oder Christin, machen dasselbe durch.“ Unter der Geburt ist die Hebamme  Bezugsperson und Unterstützerin für die werdende Mutter. Mit persönlicher Beleghebamme ist eine durchgehende Eins-zu-eins-Betreuung gewährleistet, ansonsten wechselt mit Pech das Personal zwischendurch. Und der Arzt? Sven Ackermann vom Klinikum erklärt: „Für eine normale Geburt mit einem reifen Kind braucht man keinen Arzt und er ist bei uns nicht automatisch dabei. Das besprechen wir im Vorfeld miteinander.“ In vielen  Geburtsabteilungen wird in der Schlussphase ein Arzt dazu gerufen. In allen Etappen der Geburt mitten im Geschehen ist meist der werdende Vater. Ihm kommen dabei wichtige  Aufgaben zu, wie Hebamme Nimet Canpolat betont: „Gerade wenn die Frau erschöpft ist und sich an all das Gelesene und Gelernte nicht mehr erinnern kann, kann der Partner wachsam und mitdenkend begleiten und das Wissen aus dem Geburtsvorbereitungskurs  einbringen.“ Sie betreut auch viele Familien mit Migrationshintergrund und erzählt von ihren Erfahrungen: „Türkische Männer haben ja mancherorts einen schlechten Ruf. Aber unter der Geburt erlebe ich sie als tolle Begleiter, die sich gut einfühlen und ihre Partnerin motivieren.“

Das Baby ist da

Nach der Geburt, wenn ihr mit dem Baby wieder zu Hause seid, geht die Unterstützung durch die Hebamme weiter. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen in den ersten acht Wochen die Kosten für Hausbesuche. Die Hebamme schaut nach euch und dem Baby, gibt Tipps zum Stillen und zum Umgang mit dem neuen Familienmitglied. Manchmal ist auch praktische Lebenshilfe gefragt. Nimet Canpolat, die auch Familienhebamme und internationale Stillberaterin ist: „Manchmal sehen die jungen Mütter in mir eine Art große Schwester und suchen Rat auch bei Familienkonflikten oder im Kontakt mit Ärzten und Behörden.“ Das Fazit: Information und gute Vorbereitung sind wichtige Voraussetzungen für eine gute Geburt. Doch die Expertinnen und Experten, die hier zur Sprache kamen, betonen auch: Eine Geburt ist nicht planbar. Je mehr Vorgaben man sich selber setzt, desto größer ist die Enttäuschung, wenn es anders läuft. Sie empfehlen, sich auf das Geschehen einzulassen, offen zu bleiben, gemeinsam mit der Hebamme vieles auszuprobieren. Elke Schaaf vom Geburtshaus Osan macht Schwangeren Mut: „Lasst euch nicht verunsichern durch Ängste, die von außen geschürt werden. Hört auf euer Inneres, sagt euch: ‚Hey, ich bin eine gesunde Frau, ich schaffe das und bekomme ein gesundes Kind!“

Der richtige Zeitpunkt für den Weg ins Krankenhaus

Wann geht´s los?

  • Bei regelmäßigen Wehen alle 10 Minuten oder öfter
  • Bei einem Blasensprung (bitte den Frauenarzt bei den letzten Besuchen fragen, ob das Köpfchen schon fest im Becken ist)
  • Bei Blutungen (mehr als Schmierblutung) und Schmerzen sofort
  • Wenn ihr unsicher seid: „falscher Alarm“ ist kein Problem